: Schlechtes Zeugnis für Lageso
Prüfung Bericht beanstandet intransparente Aktenführung. Kein Hinweis auf korrupte Mitarbeiter. Sozialsenator nimmt Chef Allert die Zuständigkeit für Flüchtlingsheime
von Stefan Alberti
Der Präsident des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso), Franz Allert, ist ab sofort nicht mehr für die Flüchtlingsunterbringung in Berlin zuständig. Die soll eine neue Stelle übernehmen. Diese Konsequenz zog Sozialsenator Mario Czaja (CDU) aus einem Wirtschaftsprüferbericht zu Missständen im Lageso, den Czaja am Donnerstag in einer Pressekonferenz vorstellte. Die Prüfer kritisieren unter anderem lückenhafte und intransparente Aktenführung und eine fehlende ordnungsgemäße Vergabe von Leistungen. Sie haben jedoch nach eigener Darstellung keine Hinweise, dass sich Lageso-Mitarbeiter dabei persönlich bereichert haben. Einen konkreten finanziellen Schaden für das Land Berlin nennt der Bericht nicht.
Zu der Prüfung war es gekommen, nachdem im Herbst der Vorwurf aufkam, Lageso-Chef Allert könnte einen privaten Betreiber von Flüchtlingsunterkünften bevorteilt haben, den sein Patensohn führte. Laut Czaja begann daraufhin eine zweigleisige Prüfung: zum einen durch die Innenrevion des Lageso, die die Vorwürfe nicht bestätigt sah, zum anderen eine externe. Dafür wollte Czaja nach eigenen Worten im November den Landesrechnungshof gewinnen. Der habe das abgelehnt, prüfe seit Mai nun aber doch. Nach einer Ausschreibung begann im März das Unternehmen Roever Broenner Susat Mazars mit der Prüfung.
Nach der Teilentmachtung von Lageso-Präsident Franz Allert soll eine neue Struktur mit Haushalts-, Rechts- und Immobilienexperten ein „Flüchtlingsmanagement“ organisieren. Diese Einheit mit gut 50 Mitarbeitern soll im Lageso arbeiten, aber direkt Sozialstaatssekretär Dirk Gerstle (CDU) verantwortlich sein. An ihrer Spitze stehen der Nochfinanzexperte des Bezirksamts Reinickendorf, Stephan Herting, und Petra Hildebrandt, bislang in führender Funktion beim landeseigenen Wohnungsunternehmen Stadt und Land und bis 2011 zehn Jahre für die SPD im Abgeordnetenhaus. Zu den wichtigsten Aufgaben soll es gehören, 22 Verträge mit derzeit vorläufigen Tagessätzen auszuhandeln. Allert unterstützt laut Senator Czaja diesen Weg. (sta)
Zurück bis 2010
Untersucht wurden Akten zu 16 Unterkünften der privaten Betreiber Pewobe und Gierso und aus Vergleichsgründen auch Unterlagen zu fünf Einrichtungen frei-gemeinnütziger Träger wie der AWO und einem Hostel. Die Prüfung geht zurück bis 2010, vor den sprunghaften Anstieg der Flüchtlingszahlen. Lückenhafte Akten fanden die Prüfer in beiden Gruppen. Fast ausschließlich bei den privaten Unternehmen, in 11 von 16 Fällen, gab es jedoch durch das Lageso eine „Liquiditätsfinanzierung“, worunter Darlehen ohne Zinsen oder Sicherheiten zu verstehen sind. Bei den sechs Vergleichsunterkünften geschah das nur einmal.
Allert nicht nur die Zuständigkeit für die Flüchtlingsunterbringung zu nehmen, in der kaum ein Fünftel der über 1000 Lageso-Mitarbeiter tätig ist, sondern ihn ganz abzulösen, lehnte Czaja ab: Bei einem führenden Beamten sei die Gesamtleistung zu betrachten, und da sah Czaja, der sich auch auf Aussagen anderer Senatoren berief, eine erfolgreiche Tätigkeit von Allert. Der Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses lobte jüngst das Lageso, das unter anderem auch für medizinische Gutachten, Behinderte, Tierversuche, Versorgungsleistungen oder Wasserhygiene zuständig ist, wegen verkürzter Bearbeitungszeiten. Man wünsche sich, „dass auch andere Behörden so tatkräftig und engagiert wie das Landesamt vorgehen“, heit es im Jahresbericht des Ausschusses.
Czaja sah auch keinen Anlass, als Senator zurückzutreten. „Die Frage muss man sich natürlich immer stellen, ob nicht ein früheres Eingreifen möglich gewesen wäre“, sagte er – verwies aber darauf, dass er seit Herbst schon eine Reihe von Reformen angeschoben hat, die die Wirtschaftsprüfer in ihrem Bericht empfehlen. Dazu gehört, dass der Eigentümer einer Unterkunft nicht gleichzeitig der Betreiber sein soll. Das hat es in der Vergangenheit oft erschwert, einem Betreiber zu kündigen, weil dann auch die Unterkunft für die Flüchtlinge weg fiel.
Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Canan Bayram, sah sich durch den Bericht in ihrer Kritik am Lageso bestätigt. „Senator Czaja hat den Verstoß gegen geltendes Recht zugelassen und dem Missbrauch durch dubiose Betreiber Vorschub geleistet“, sagte Bayram, „dafür trägt er die politische Verantwortung.“ Politische Verantwortung mochte Czaja in seiner Pressekonferenz gar nicht bestreiten: Der komme er nach, unter anderem mit dem Pürfbericht. Die Linkspartei-Abgeordnete Elke Breitenbach warf Czaja vor, er habe Misswirtschaft „schlicht ignoriert und einfach weiter laufen lassen“. Die nun von ihm eingeleitete Umstrukturierung bei der Flüchtlingsunterbringung nannte sie „Aktionismus“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen