Kommentar: Richter machen was sie wollen

Die Linke will das Wahlverfahren der Verfassungsrichter reformieren. Eine unnötige Forderung, denn das heutige System funktioniert ziemlich gut.

Das Bundesverfassungsgericht genießt unter den Staatsorganen das höchste Vertrauen. Dennoch will Wolfgang Neskovic, Rechtsexperte der Linken, das Verfahren für die Wahl der Verfassungsrichter reformieren. Er fordert öffentliche Anhörungen und eine stärkere Einbeziehung der Opposition. Anlass des Vorstoßes ist die Wahl von Ferdinand Kirchhof, Tübinger Rechtsprofessor und Bruder des Exverfassungsrichters Paul Kirchhof, am Donnerstag.

Öffentliche Anhörungen sind natürlich nichts Schlechtes, aber man sollte ihre Wirkung auch nicht überschätzen. Für eine öffentliche Debatte sind sie jedenfalls nicht erforderlich. Über neue Bundesminister wird schließlich auch ohne förmliche Anhörung lebhaft diskutiert. Nötig ist nur das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit.

Dass Kirchhof Verfassungsrichter werden soll, ist schon seit rund einem Jahr bekannt. Dass er ein Erzkonservativer ist, weiß man spätestens, seit er das Land Baden-Württemberg im Kopftuchstreit durch die Instanzen begleitet hat. Zeit und Anlass zur Debatte waren also gegeben.

Die hohe Legitimation des Verfassungsgerichts ist Folge einer Regel, wonach die Richter mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden. Dies sorgt für eine relativ ausgewogene Rechtsprechung, weil sich die Regierung mit der größten Oppositionspartei auf Personalpakete einigen muss.

Kleinere Parteien wie die Linkspartei, die FDP und die Grünen erhalten allerdings nur dann ein Vorschlagsrecht, wenn sie gerade Teil der Regierung sind. In Zeiten der großen Koalition gehen sie leer aus. Deshalb ist es naheliegend, gerade jetzt über eine Reform zu diskutieren, bei der die Vorschlagsrechte proportional auf alle Fraktionen verteilt werden. Dies könnte aber entsprechend der Wahlergebnisse schnell zu linken oder rechten Mehrheiten am Verfassungsgericht führen und so die Legitimation der Richter eher beschädigen.

Wahrscheinlich sollte man die Diskussion um das Wahlverfahren aber gar nicht so ernst nehmen. Die Richter machen eh nicht unbedingt das, was man einst von ihnen erwartet hat.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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