IWF und Weltbank: Alternde Schwestern

Ein Schatten liegt über dem Treffen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank an diesem Wochenende: Es fehlt ihnen zunehmend an Geld. Viele sind darüber froh.

Protestaktion gegen den Internationalen Währungsfonds. Bild: dpa

WASHINGTON taz Beide liegen an Washingtons 19. Straße, und beide haben ein gemeinsames Problem: Die Weltbank und ihr Nachbar, der Internationale Währungsfonds, kurz IWF, befinden sich in einer Art Identitätskrise - sie wirken wie alternde Diven der globalen Finanzströme. Die Weltbank findet ihre Kundschaft heute nur noch in den ärmsten Ländern der Welt, wo ihre Kredite gebraucht und ihre Reformrezepte zähneknirschend akzeptiert werden. Und dem IWF ist sein Kerngeschäft verloren gegangen.

Auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank in Washington wird an diesem Wochenende nicht nur über die Reform der Institutionen selbst gesprochen - auch Inhalte stehen auf dem Programm. Auf der Weltbank-Tagung geht es unter anderem um Fortschritte bei Investitionen in erneuerbare Energien. Auch ein neues Programm, das Entwicklungsländern beim Schutz des Regenwaldes hilft, wird präsentiert. Die Frage, wie viel Geld die Geberländer der Weltbank für die nächsten Jahre spendieren werden, dürfte im Hintergrund eine wichtige Rolle spielen. Vor der IWF-Jahrestagung treffen sich die Finanzminister bereits im kleinen Kreis der G 7. Bei den Treffen von G 7 und IWF dürften die Folgen der jetzigen Kreditkrise im Mittelpunkt stehen. Neben dem Dauerthema Hedge-Fonds steht eine Regulierung von Rating-Agenturen auf der Agenda. Diesen wird eine Mitschuld an der Krise gegeben, weil sie die Risiken, die in faulen Hypothekenkrediten steckten, lange ignoriert haben.

In Washington wird sogar schon gelästert, den IWF in TWF umzubenennen: Türkischer Währungsfonds - die Türkei ist der einzige noch verbliebene Kunde für die IWF-Notfallhilfe. Entwicklungs- und Schwellenländer emanzipieren sich mit eigenen Organisationen immer mehr von der Vormundschaft aus Washington. So wird auch das an diesem Wochenende stattfindende Herbsttreffen der beiden Institutionen überschattet von einem in den letzten Jahren oft bemühten Schlagwort: Bedeutungsverlust.

Entwicklungsländern in verzweifelter Lage mit Krediten zur Seite zu stehen ist dank größerer Verzahnung der Märkte immer weniger notwendig. Länder wie Argentinien, Venezuela oder Brasilien haben ihre Schulden beim IWF längst beglichen und werden auf absehbare Zeit keine Zuwendung mehr benötigen. Wenn auch der letzte ausstehende Kreditnehmer Türkei seine Schulden zurückzahlt, versiegen auch die letzten Zinseinnahmen des Fonds. Selbst die mächtigsten Industrieländer der G 7 forderten den IWF vor kurzem auf, zu sparen und zu schrumpfen. Da liegt die Vermutung nahe, dass der IWF sich wandeln oder untergehen muss.

Bei der Weltbank sieht es nicht anders aus. Ihre Kreditsummen sind im Vergleich zu Angeboten der privaten Kapitalmärkte und den Devisenbergen vieler Notenbanken längst bescheiden. Länder wie China, Russland und Brasilien wissen kaum noch, wohin mit ihrem angesammelten Kapital. In Asien hat man einen gemeinsamen Währungsfonds, nun soll eine eigene Entwicklungsbank entstehen, in Lateinamerika wurde eine solche Bank gerade feierlich gegründet. Länder wie China vergeben ihre Entwicklungshilfe und Kredite längst ganz direkt an rohstoffreiche Länder, zum Beispiel nach Afrika. Dabei verbinden sie ihre Kredite mit ähnlichen Finanzierungsbedingungen wie die Weltbank, verzichten aber auf wirtschafts- und sozialpolitische Auflagen.

Manchen Empfängerländern geht es längst ganz offen darum, das jahrzehntelange Regime von Weltbank und IWF zu brechen. Mit steigendem Wohlstand und Selbstvertrauen wächst in den Schwellenländern auch der Unmut über die Washingtoner Schwestern, die so überproportional vom US-amerikanischen Geist durchdrungen sind; die immer wieder merkwürdig viele Kredite an den USA genehme Länder vergeben; deren Chefs stets von einer US-europäischen Kungelrunde ausgeguckt werden, obwohl die Wachstumsregionen der Zukunft längst anderswo auf dem Globus liegen.

Fachleute wie der US-Finanzexperte Allan H. Meltzer, Mitglied einer Beratergruppe des US-Kongresses, glauben, dass beide Institutionen völlig irrelevant werden, wenn sie nicht einen radikalen Strategiewechsel vollziehen. Die Weltbank müsse ein einzigartiges Profil entwickeln, das sich von anderen Banken abhebt, fordert auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul. "Die Anpassung an den Klimawandel und erneuerbare Energien könnten das besondere Profil der Weltbank in der Zukunft ausmachen."

Die Zukunft des IWF sieht Meltzer in einer Rolle als finanzpolitischer Know-how-Makler für Entwicklungsländer. Andere sehen den IWF eher als globalen Weltversteher. Gerade in Zeiten der Kreditkrise brauche man ein Forum für internationale Zusammenarbeit und Analyse. Finanzstaatssekretär Thomas Mirow gibt dem anstehenden IWF-Treffen "angesichts der Turbulenzen auf den Finanzmärkten eine enorme Bedeutung".

Zentral für jede Reform dürfte jedoch die Frage sein, wer wie über sie entscheidet. Dass die aufstrebenden Schwellenländer eine angemessene Zahl von Stimmrechten erhalten sollen, haben die Mitgliedstaaten schon vor Jahren festgestellt. Zwar wird weiter heftig debattiert, doch entschieden werden soll nach Angaben von Fonds-Chef Rodrigo Rato erst in einem Jahr.

Dass am Ende der 2007er Tagung eine gestärkte Institution entsteht, ist indes eher unwahrscheinlich. Natürlich werden Politiker und Zentralbanker ihr Interesse an einer neuen Aufgabenverteilung von IWF und Weltbank verkünden. Insbesondere den schleichenden Bedeutungsverlust des Fonds wird das jedoch nicht stoppen. Daran könnte - leider - nur eine heftige Weltwirtschaftskrise etwas ändern.

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