Berliner Adventskalender: Rathausstraße 15

"Geile Bude, Wowi", hat ein Besucher ins Gästebuch des Roten Rathauses geschrieben. Ob das ernst gemeint war?

Bild: Gereon Asmuth

Das soll Berlin sein? Der türmchenbestückte rote Klinkerbau, ein schmiedeeisernes Schnörkelgitter vor einer schweren Butzenscheibentür - fast erwartet man, dass in frisches Loden gekleidete Herren strammen Schrittes und frohgemut heraustreten und in süddeutscher Mundart reden.

Aber nein, die schwere, stets bewachte Tür führt ins Rote Rathaus, ins Zentrum der Berliner Macht, in die Kanzlei des einzigen offen schwulen und deshalb coolsten Bürgermeisters der Republik. Doch vom lässigen Partystil, den Berlins Regierender weltweit verspricht und manchmal auch pflegt, ist hier nichts zu spüren. Die zwar nicht in Loden, aber immerhin grün gewandeten Polizisten vor dem Eingang frieren und wärmen sich, indem sie ihre Arme um den Körper schlingen und in regelmäßigen Abständen einen Plausch mit den Pförtnerinnen einlegen, die die Eingangstür von innen bewachen. Auch sie fügen sich gut ein in den biederen Stil des Rathauses. In ihren blauen Kostümen mit den überknielangen Röcken versprühen sie den sehr distanzierten Charme von Müttern von Lufthansa-Stewardessen.

Klein geworden vor der überdimensionalen Treppe im Rathausfoyer fühlt man sich auch gleich ein wenig wie damals zu Besuch bei Tante Edith - wo es immer ein wenig zu sauber, zu steif, zu leise und deshalb sterbenslangweilig war. Das spitzbogige Deckengewölbe des Eingangsbereichs wirkt so klösterlich bieder, dass jeder gleich versteht, dass die vier nackten Statuen, die die Ecken zieren, gar nicht wirklich nackt sind: Sie symbolisieren bloß was. Die streng blickenden Büsten toter Denker im einstigen Bibliothekssaal einen Stock höher komplettieren in Kombination mit ebenso strengem Bohnerwachsgeruch den spießigen Eindruck.

Einziger Lichtblick - fast eine Erlösung in dem bedrückenden Gemäuer - ist Schadows Doppelstatue der preußischen Prinzessinnen Luise und Friederike, die sich ganz hinten im Skulpturensaal versteckt. Die beiden Mädchen in ihren lasziv gefalteten Gewändern, die sich ermattet im Arm halten, erinnern daran, dass es abseits von Amtsstuben- und Bohnerwachsmief ein lebendigeres Leben gibt. Trotzdem - irgendwie wirken sogar die beiden Prinzesschen hier eher traurig.

"Geile Bude, Wowi", hat ein Besucher ins Gästebuch des Roten Rathauses geschrieben. Ob das ernst gemeint war? Man kann es kaum glauben. Die phantasielose Spießbürgerlichkeit des Roten Rathauses passt eindeutig besser zur CDU.

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