Kommentar Union verhindert Dreier: Richtiger Schritt - falsche Begründung

Die Unionspolitiker lehnen Dreier aufgrund seiner liberalen Haltung zur Abtreibungspolitik ab. Ausschlaggebend für das Veto müsste jedoch seine Position in der Folterfrage sein.

Über manche Nachrichten kann man sich zugleich freuen und ärgern. Die CDU/CSU will die Wahl des von der SPD vorgeschlagenen Rechtsprofessors Horst Dreier zum Verfassungsrichter blockieren. Das ist gut, weil Dreier das absolut geltende Folterverbot relativiert. Ärgerlich ist aber, dass sich die Union wohl eher an Dreiers liberalen Positionen zu Forschungsfreiheit und Abtreibungsrecht stört.

Entscheidend für den Rückzug des Vorschlags muss aber Dreiers Haltung zur Folter sein. Die Menschenwürde ist unantastbar, das ist der oberste Wert des Grundgesetzes. Dreier dagegen hält Eingriffe in die Menschenwürde von Verdächtigen für diskutabel, um die Menschenwürde anderer, zum Beispiel von Entführungsopfern, zu wahren.

Diktatoren in aller Welt würden sich auf Dreiers Aufrechnung von Menschenwürde gegen Menschenwürde berufen. Auch deutsche Polizisten, die beim Verhör zu weit gingen, würden auf Argumente des Verfassungsrichters Dreier verweisen. Wie soll man ihnen erklären, dass der designierte Präsident des Bundesverfassungsgerichts nur eine wissenschaftliche Minderheitsmeinung vertritt? Das Folterverbot gehört zum unantastbaren Kern des zivilisierten Rechtsstaats. Deshalb kann niemand Verfassungsrichter werden, der seine Geltung für abwägbar hält.

Dagegen ist die Frage, wie stark vorgeburtliches Leben von der Verfassung geschützt ist, stark weltanschaulich geprägt. Aus katholischer Sicht ist der Schutz des Embryos vor der Forschung von größter Bedeutung. Andererseits wird in England, dem Mutterland der Grundrechte, ganz selbstverständlich an embryonalen Stammzellen geforscht. Da das Verfassungsgericht in weltanschaulichen Fragen pluralistisch besetzt sein muss, kann es kein Grund für ein Veto sein, dass Dreier hier nicht die Position der CDU/CSU vertritt.

Die SPD sollte schnellstens einen neuen Kandidaten vorschlagen, der beim Folterverbot nicht ins Räsonieren gerät, aber in bioethischen Fragen so liberal wie Dreier ist. Am besten eine Frau, denn die SPD hatte auch versprochen, den Frauenanteil in Karlsruhe zu erhöhen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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