Dreier darf nicht zum Verfassungsgericht: Union gegen liberalen Richter

Die Union will die Wahl Horst Dreiers zum Vizechef des Bundesverfassungsgerichtes verhindern. Wohl wegen dessen liberaler Haltung zum Embryonenschutz.

Sein noch nicht aufgestellter Sessel beginnt schon zu wackeln. Bild: dpa

FREIBURG taz Die Wahl von Horst Dreier zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts steht auf der Kippe. Die CDU/CSU hat ihr Veto gegenüber dem SPD-Vorschlag angekündigt, wohl wegen dessen liberaler Haltung zum Embryonenschutz. Auch amnesty international (ai) rief dazu auf, Dreier nicht zu wählen, allerdings wegen dessen diffuser Position zum Folterverbot. Die SPD hält an ihrem Vorschlag fest.

Dreiers sollte eigentlich am 15. Februar im Bundesrat gewählt werden. Die SPD hat für diesen Posten das Vorschlagsrecht. Da die Wahl aber mit Zweidrittelmehrheit erfolgt, hat die CDU/CSU faktisch ein Mitspracherecht. Mitte Januar meldete der Spiegel: "Die Union hat zugestimmt." Möglicherweise war das Magazin voreilig, vielleicht hat sich aber auch Günther Oettinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Verhandlungsführer der Union, mal wieder ungeschickt ausgedrückt.

Jedenfalls kamen vor einer Woche Gerüchte auf, dass die Union Dreier verhindern will. Am Donnerstagabend hat Oettinger nun Jens Böhrnsen, den Bremer Bürgermeister und SPD-Verhandlungsführer, angerufen und das Veto offiziell mitgeteilt. Eine offizielle Begründung liegt nicht vor. Nach Informationen der Welt soll Oettinger gesagt haben, Dreiers Positionen seien "mit christlich-demokratischen Grundwerten" nicht vereinbar. Gemeint ist damit wohl Dreiers Einsatz für eine Liberalisierung der Stammzellforschung an menschlichen Embryonen.

Ganz andere Kritik übte gestern ai-Generalsekretärin Barbara Lochbihler: "Ein Richter, der den Schutz der Menschenwürde nicht eindeutig verteidigt, ist für die Aufgabe eines Verfassungsrichters nicht geeignet." Dreier hatte in seinem Grundgesetz-Kommentar das absolute Folterverbot in Frage gestellt, wenn es um den Schutz der Menschenwürde von Verbrechensopfern geht. Auf ein Gesprächsangebot von ai war Dreier nicht eingegangen. Wolfgang Nescovic, Rechtsexperte der Linken, sprach von einem "Katastrophenvorschlag" der SPD.

Doch die Sozialdemokraten lassen die Kritik abperlen. "Die SPD hält auf jeden Fall an ihrem Besetzungsvorschlag fest", sagte Justizministerin Brigitte Zypries am Donnerstag am Rande einer Veranstaltung zur taz. Dreiers Äußerungen zum Folterverbot würden falsch interpretiert und die inhaltliche Einflussnahme der Union gehe viel zu weit.

Horst Dreier ist Rechtsprofessor in Würzburg, war Mitglied im Nationalen Ethikrat und Vorsitzender der Deutschen Staatsrechtslehrer-Vereinigung. Wenn er jetzt zum Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts gewählt würde, wäre er voraussichtlich ab 2010 auch dessen Präsident.

Die Amtszeit des jetzigen Vizepräsidenten Winfried Hassemer endet Ende Februar. Wenn bis dahin kein Nachfolger gewählt ist, muss Hassemer im Amt bleiben. 1993, als die Union die SPD-Abgeordnete Herta Däubler-Gmelin als Verfassungsrichterin ablehnte, dauerte der Streit rund neun Monate. Am Ende gab die SPD nach und nominierte Jutta Limbach.

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