Hungersnöte und Konflikte befürchtet: IWF warnt vor teuren Lebensmitteln

Der Chef des IWF Strauss-Kahn befürchtet dramatische Hungersnöte wegen steigender Lebensmittelpreise. Die Proteste gegen die hohen Preise haben die Regierung von Haiti weggefegt.

Hohe Preise für Lebensmittel provozierten Unruhen - und den Rücktritt der Regierung. Bild: rtr

Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank haben vor Hungerkrisen infolge der stark gestiegenen Lebensmittelpreise gewarnt. Sollte Nahrung so teuer bleiben wie bisher, würden hunderttausende Menschen hungern müssen, sagte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn während der Frühjahrstagung beider Finanzorganisationen am Wochenende in Washington. "Es ist nicht nur eine humanitäre und wirtschaftliche Frage, sondern auch eine, die die Demokratie betrifft." Die Preisexplosion könnte ein Konfliktherd für die Zukunft werden. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) nannte diese Entwicklung gar ein "Monster".

Auch Weltbankpräsident Robert Zoellick wies auf den Zusammenhang der höheren Lebensmittelpreise und der größeren Nachfrage nach Getreide für die Produktion von Agrosprit hin: "Während sich manche Sorgen machen, wie sie ihren Benzintank füllen, kämpfen viele andere darum, wie sie ihren Magen füllen können", erklärte Zoellick. "Und das wird von Tag zu Tag schwieriger." Die internationale Gemeinschaft müsse für mindestens 500 Millionen Dollar fehlende Nahrungsmittel kaufen.

Die jüngsten Proteste gegen die gestiegenen Preise von Asien über Nordafrika bis in die Karibik haben also die Spitzen der internationalen Organisationen aufgeschreckt. Am Freitag hatte schon die Welternährungsorganisation FAO vor Not und Unruhen in 37 armen Staaten gewarnt.

Wegen der Proteste stürzte am Wochenende eine Regierung: Der Senat von Haiti zwang Ministerpräsident Jacques Edouard Alexis während einer Sondersitzung zum Rücktritt. Bei den Unruhen in dem ärmsten Land Lateinamerikas waren in der vergangenen Woche fünf Menschen getötet und mehr als 200 verletzt worden. Am Samstag wurde im Zentrum der Hauptstadt Port-au-Prince ein nigerianischer Mitarbeiter der Vereinten Nationen erschossen.

Auch in Bangladesch kam es im Zuge von Demonstrationen gegen die gestiegenen Lebensmittelpreise zu Gewalt. Bei Straßenschlachten zwischen Polizisten und Arbeitern wurden am Wochenende mindestens 50 Menschen verwundet.

Überall leiden besonders die ärmsten Schichten der Bevölkerung an den Preiserhöhungen. Sie mussten bisher schon bis zu 75 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Und es ist noch mehr geworden: Nach Angaben der Weltbank stiegen die Nahrungsmittelpreise in den vergangenen drei Jahren weltweit um 83 Prozent, für Weizen sogar um 181 Prozent.

Schuld seien die reichen Staaten, kritisierte die Hilfsorganisation Oxfam. "Ihre Nachfrage nach Biosprit treibt die Nahrungsmittelpreise nach oben", erläuterte Oxfam-Expertin Elizabeth Stuart. Sie wollen mit dem Treibstoff aus Weizen, Soja oder Palmöl unabhängiger von Erdölimporten werden und ihre Klimabilanz aufbessern. Ob Agrosprit tatsächlich klimafreundlich ist, ist höchst umstritten. Weitere Ursachen für die höheren Lebensmittelkosten sind die gestiegenen Energiepreise, die die Produktion und den Transport von Nahrungsmitteln verteuern. Außerdem essen zum Beispiel die Chinesen wegen ihres wachsenden Wohlstands mehr und vor allem mehr Milch- und Fleischprodukte. Für die Herstellung solcher Lebensmittel wird besonders viel Getreide benötigt.

Wie das Problem gelöst werden kann, ließen IWF und Weltbank am Wochenende weitgehend offen. Zoellicks Forderung nach Lebensmittellieferungen im Wert von 500 Millionen Dollar kann die Not nur vorübergehend lindern. Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul forderte, vorerst die Pläne zu stoppen, normalem Treibstoff noch mehr Agrosprit beizumischen.

Mitarbeit: Hans-Ulrich Dillmann in Port-au-Prince

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