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Kommentar AgrokraftstoffeBiosprit-Gegner frohlocken

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

"Hunger durch Biosprit"- diese Zuspitzung greift zu kurz. Damit es keinen Zielkonflikt zwischen Ernährung und Bio-Energien gibt, müssen Energiepflanzen regional produziert werden.

E s ist ein dankbares Thema für die Schlagzeilen: Biosprit führt zu steigenden Lebensmittelpreisen und damit zu Hunger in der Welt. Unruhen in armen Ländern sind die Folge, warnen jetzt die Weltbank und der Internationale Währungsfonds. Befürchtet wird, dass die Aufstände gegen teure Grundnahrungsmittel sich bald zu Bürgerkriegen auswachsen. Schon können all diejenigen in den Industrieländern frohlocken, denen Klima- und Umweltschutz schon immer suspekt war: "Seht doch, wohin euer Ökoquatsch führt."

taz

Bernward Janzing ist studierter Geowissenschaftler und arbeitet als freier Journalist in Freiburg. Der Klimawandel und die effiziente - und kostensparende - Nutzung von Energie zählen seit Jahren zu den Schwerpunkten seiner Arbeit.

Nun ist die Schlagzeile "Hunger durch Biosprit" leider nicht verkehrt. Denn der Zusammenhang ist unverkennbar: Wo früher Nahrungsmittel angebaut wurden, wachsen rund um den Globus immer häufiger Energiepflanzen - mit untragbaren Konsequenzen für die Ärmsten. Und doch ist die Schlagzeile auf eine Weise zugespitzt, die in die Irre zu leiten droht.

Der Anbau von Energiepflanzen in einigen armen Ländern spricht nicht grundsätzlich gegen die Nutzung von Bioenergie. Es spricht lediglich gegen den globalen Handel mit Biomasse, der zwangsläufig zu einem unfairen Wettbewerb um Agrarrohstoffe führt. Denn gegen die Summen, die wir für unsere Mobilität zu zahlen bereit sind, können die Armen der Welt in einem globalen Markt nicht bestehen.

Das Fazit darf nicht heißen: Bioenergie ist aus humanitären Gründen unvertretbar. Es muss stattdessen lauten: Bioenergie ist nur vertretbar, wenn sie in regionalen Wirtschaftskreisläufen genutzt wird. Wenn zum Beispiel ein hiesiger Landwirt Energiepflanzen anbaut und diese in seiner Biogasanlage in Strom und Wärme umsetzt, so ist das unbedingt begrüßenswert. Wir brauchen die Bioenergien schließlich als Bestandteil einer ökologischen und klimaverträglichen Ökonomie.

International jedoch kann der Wettbewerb um Agrarrohstoffe im wahrsten Sinne tödlich sein. Und deswegen kann es nur zwei Auswege geben: Entweder die Produzenten in den Entwicklungsländern begrenzen den Export von Biorohstoffen selbst, was jedoch häufig nicht zuletzt wegen der Korruption dieser Staaten unpraktikabel ist. Oder die Industriestaaten verweigern die Annahme - und genau das sollten sie jetzt tun.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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7 Kommentare

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  • JN
    Jura Nikl

    Dear Bruce , you are right and you are wrong . As long as there are no worldwide strict regulations for food/biofuel production ratio there will be abuse for profit reasons . Also other forms of abuse are evident : mono-culture , genetic technology , pesticides and the diminution of rain forests .

  • JS
    Johan Steunenberg

    Dear Bruce,

     

    Talking about economists: Iain Smedley, responsible for Renewables at Morgan Stanley, was not so fond of Biofuels. At a recent conference he mentioned that he would not recommend 1. generation biofuels for investments.

     

    First of all, nobody here said that biofuels are not going to stay. But then, the content of your post is propaganda to me. Yes, there is farm land that is not used. Do you have evidence that this is enough to provide energy and food? In the past, prices fell because of overproduction Farmers can produce a lot more now without the risk of overproduction, and still the prices will fall? I'm quite sure the marginal costs of production on the waste lands is higher then on the lands in use. By the way, the agricultural prices are not the only constraints on land use. Water is another one.

     

    Your leading remark on economists suggests an authority you're quite effectively hiding in the rest of your post.

  • BL
    Bruce Leighty

    The critics of biofuels have been barking up the wrong tree. But then, they are not economists. Biofuels in Europe can compete environmentally with fossil fuels ? so this should not be the issue. The big reason biofuels are here to stay is that in agriculture they reduce the risk of overproduction. This is no less than revolutionary. In the past overproduction which drives farm revenue below cost could ruin a farm family. It makes farmers withhold planting.

    With biofuels as a new, non-correlated market for several important crops, farmers can produce as much as they wish without risk because surpluses of food crops can be sold to biofuel produces. Banks are encouraged to lend to farmers to invest in new equipment, knowing that the risk of default is much lower than in the past.

    This lower risk leads to more production either in the food market or the energy market, and this results in prices being lower than what they otherwise would have been in both areas because the supply is greater. In Europe there is farm land that is either not being used because of depopulation or farm land that is not being used well because the incentive to invest had not been there. Now with the coming of the biofuels market, this will change. Farms become stronger; depressed rural areas become stronger. This is good.

  • M
    matthias..

    Von Anfang an denken die Ingenöre nur daran, maximalen Energieertrag zu erwirtschaften. Dies führt zu den Problemen. Hierzulande ist bekannt, dass für Rapsöl fast so viel Sprit verfahren werden muss, wie am Ende rauskommt (incl. Kunstdünger, Spritzmittel). Das ist natürlich Humbug. Wichtiger ist, Pflanzen zu etablieren, die zusätzlich angebaut werden können, ohne REssourcen zu beanspruchen. Ein heimisches Beispiel ist Leindotter. Er liefert ein technisch wie kulinarisch hochwertiges Öl (technisch geeigneter als Raps) und kann im Gemenge mit Getreide angebaut werden, ohne dessen ERtrag zu schmälern - Es muss lediglich nach der ERnte herausgereinigt werden. Der Ertrag ist lange nicht so hoch, aber dafür braucht er keinen Kunstdünger, keine Spritzmittel, keine eigenen Flächen. Es gibt auch für tropische Gebiete ähnliche Pflanzen, nur dass diese nicht so attraktiv sind, weil alle, die an Kunstdünger, Spritzmittel und Flächenbesitz verdienen leer ausgehen.

    Hunger ist und war noch nie eine Frage der Ernteerträge, sondern immer eine Frage der Politik, die zu diesen Umständen führt.

    Auch nicht vergessen: Es ist nur ein weiterer Hegemonialanspruch, unseren Energiebedarf auch noch über Fläche und ERnährungsrechte zu decken. Wir müssen endlich Besonnenheit zeigen und unseren Energieanspruch (und damit auch Luxusanspruch) zurückfahren.

  • JS
    Johan Steunenberg

    Hallo Jonny,

     

    dein Wiederspruch gilt nicht. Die deutsche Landwirte stönen wegen den hohen Maispreise, weil damit die Vergärung von Mais zu teuer wird und deren Biogasanlagen dadurch Geld kosten.

     

    Die FTD hatte vor einer Weile ein ausführliches Artikel dazu, den Link und mein Kommentar findest du hier: http://steunenberg.wordpress.com/2008/02/01/ftdde-biogas-probleme/

  • J
    Jonny

    Widerspruch!! Du sprichst von Gaseinspeisung, das geht in der Tat nur bei großindustrieller Bioenergienutzung. Aber hast Du schon mal eine kleine Biogas-Hofanlage gesehen? Ich weiß ja nicht, wo Du her kommst, und ob Du schon mal einen einzigen Hof mit Biogasanlage besucht hast. Da werden in der Regel Gülle und Energiepflanzen genutzt von Flächen, auf denen nie Nahrungsmittel angebaut wurden.

  • BO
    Bernd Ohm

    Herr Janzig hat leider noch nicht begriffen, dass die Oberfläche einer Kugel endlich ist. "Wenn zum Beispiel ein hiesiger Landwirt Energiepflanzen anbaut und diese in seiner Biogasanlage in Strom und Wärme umsetzt"... dann kann er auf der dafür nötigen Fläche keine Lebensmittelüberschüsse mehr erwirtschaften, mit denen man eigentlich die Dutzenden Länder in der "Dritten Welt" beliefern müsste, die sich schon lange nicht mehr selbst mit Nahrung versorgen können. Gleiches gilt für den Farmer in Iowa, dessen Mais in der Ethanolfabrik landet. Es ist unter dem Aspekt der Flächenbilanz vollkommen egal, ob der deutsche Landwirt das Biogas in das Gasnetz in seinem Dorf einspeist oder sein US-Kollege das Ethanol direkt in Des Moines verfährt - trotz der wunderbar regionalen Wirtschaftskreisläufe ist die Anbaufläche für die Nahrungsmittelerzeugung auf jeden Fall verloren. Mehr Realismus, bitte!