piwik no script img

Großbritannien-Experte Dannemann"Labour muss um Stammwähler kämpfen"

Browns Politik war einen Hauch rötlicher als Blairs. Das ändert sich, glaubt Großbritannien-Experte Dannemann

"Muss dem Wähler signalisieren, dass er etwas verstanden hat": Gordon Brown Bild: dpa

taz: Herr Dannemann, England und Wales haben Labour einen Denkzettel verpasst. Premier Brown sagt, "wir werden die Lehren daraus ziehen". Heißt das, dass er zurücktritt?

Gerhard Dannemann: Das ist sehr unwahrscheinlich. Bisher ist noch kein britischer Premierminister wegen einer verlorenen Kommunalwahl zurückgetreten. Brown muss dem Wähler signalisieren, dass er das Ergebnis ernst nimmt und etwas verstanden hat - was immer das sein mag.

Wurde die Labour-Partei bestraft, weil sie Tony Blair abgesägt hat?

Nein, das nicht. Tony Blair war sehr unpopulär am Ende seiner Amtszeit. Es ist eine Mischung aus vielen Themen, welche die Wähler beunruhigt. Das Wirtschaftswachtum ist auf sehr mageren 0,4 Prozent angelangt. Und es steht eine Immobilienkrise bevor, in einem Sektor also, der bislang mit astronomischen Wachstumsraten von sich reden machte. Wegen dieser Gemengelage haben die Leute, Labour die gelbe Karte gezeigt …

eine dunkelorange eher. Es ist das schlechteste Ergebnis Labours seit 40 Jahren.

Die Dimension ist vergleichbar mit der historischen Niederlage der Tories Mitte der 90er. Damals verlor John Major die Kommunalwahlen ähnlich desaströs. Zwei Jahre später kam Tony Blair mit New Labour an die Macht. Labour liegt nach vorliegenden Ergebnissen auf Platz 3, hinter den Tories und den Liberaldemokraten, die aber nur einen Prozentpunkt Vorsprung haben. Es wäre psychologisch für Labour unheimlich wichtig, bis zum amtlichen Ergebnis diesen einen Prozentpunkt aufzuholen.

Kann man den Übergang von Blair zu Brown mit dem in der SPD von Schröder zu Beck vergleichen? Also von einer Politik für die neue Mitte hin zu einer eher gewerkschaftlichen Orientierung?

Das lässt sich schwer vergleichen. Gordon Brown ist allenfalls einen Hauch rötlicher, als Blair es war. Er hat die Situation für Studenten und Rentner ein wenig verbessert. Aber schon seine Steuerpolitik wird vielfach so wahrgenommen, dass er die Mittelklasse zuungunsten der kleinen Leute bedient - das ist sicher kein Linksruck. Eher ist es so, dass die Niederlage Brown zwingt, Labours Stammwähler zurückzugewinnen. INTERVIEW: CH. FÜLLER

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!