Kommentar Krankheitskosten Alte: Gefährliches Bild vom fitten Senioren

Altersdiskriminierung im Gesundheitswesen wird sich künftig vermehrt gegen Sieche und Altersschwache wenden. Auch weil rüstige Alte in Todkranken Aspekte der eigenen Existenz sehen.

Altern und Sterben werden zu teuer: Der Anstieg der Krankheitskosten der letzten Jahren ging nahezu vollständig an die über 65-Jährigen. Sie benötigen schon heute fast die Hälfte der gesamten Krankheitsaufwendungen. Nun ist Alter keine Krankheit. Aber die in früheren Lebensabschnitten erworbenen Krankheiten addieren sich zu den typischen Altersleiden, die das Lebensende prägen.

Durch medizinischen Fortschritt und ein verändertes Gesundheitsverhalten kann man dem zwar entgegenwirken. In den unteren Sozialschichten bieten sich den heute Jüngeren jedoch Lebensbedingungen, die wesentliche Risikofaktoren für ein Siechtum am Lebensende bieten. Mehr Gesundheitsförderung wird die gesundheitlichen Ungleichheiten am Lebensende eher noch zuspitzen, weil sich jene privilegierten Bevölkerungsgruppen besonders gesundheitsbewusst verhalten (können), die aufgrund ihrer Lebensumstände ein unterdurchschnittliches Krankheitsrisiko besitzen. Zukunftsprognosen gehen deshalb von einem sozialen Auseinanderklaffen von Lebenserwartung und Alterssiechtum aus. Diese soziale Ungleichverteilung steht gegen die Hoffnung, dass in einer alternden Gesellschaft die Krankheitskosten des Alters solidarisch getragen werden. Hinzu kommt, dass gegenwärtig das Altern kulturell neu erfunden wird: fit, leistungsfähig und unternehmungsfreudig sollen Alte sein. Rückzug und Verfall werden im Zusammenhang mit dem Altern zu Unwörtern. Nichts soll an die Schattenseiten einer vergreisten Gesellschaft und an die eigene Vergänglichkeit erinnern.

Zwar gibt es mit Hospizen und ambulanten Diensten Alternativen zum oft würdelosen Sterben in Krankenhaus oder Pflegeheim. Doch spricht dies nur eine Minderheit an. So wird die Altersdiskriminierung im Gesundheitswesen sich wohl vermehrt gegen Sieche und Altersschwache wenden. Die soziale Basis für Forderungen nach Behandlungsbegrenzung und aktiver Sterbehilfe wird just bei den aktiven "neuen Alten" zu finden sein, die durch Todkranke an die verdrängten Aspekte der eigenen Existenz erinnert werden.

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