Kommentar rot-rot-grünes Experiment: Es ist das Wagnis wert

Das hessische Experiment kann beginnen. Eine gute Nachricht, denn die Schnittmengen der drei Parteien sind groß genug, um sich auf das Linksbündnis einlassen zu können.

Die Generalprobe ist erfolgreich absolviert. Alle Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken stehen in Hessen hinter einem Linksbündnis, alle, außer der Sozialdemokratin Dagmar Metzger. Durch das Votum der geheimen Probeabstimmungen ist Andrea Ypsilanti ihrem Ziel, Noch-Ministerpräsident Koch abzulösen, einen entscheidenden Schritt näher gekommen - das hessische Experiment kann also beginnen. Nur die Möglichkeit eines politischen Meuchelmordes à la Heide Simonis steht ihm noch entgegen, sie ist aber nach Ypsilantis ausführlichen Absprachen mit allen Beteiligten unwahrscheinlich.

Für Hessen ist das eine gute Nachricht. SPD, Grüne und Linke haben inhaltlich große Schnittmengen, die sie ohne große Zerreißproben umsetzen können. Allein die verheerende Schulpolitik der Koch-Regierung durch eine integrative und zukunftsweisende Alternative zu ersetzen, ist das Wagnis einer Tolerierung wert. Ganz zu schweigen von der Sozial- und der Klimaschutzpolitik, in der die drei Parteien sehr Ähnliches wollen.

Und auch das politische Erdbeben im Bund wird ausbleiben, obwohl Ypsilantis Plan seit Monaten für Aufregung sorgt. Natürlich wird die Union das Gespenst des Kommunismus beschwören, das die SPD angeblich groß werden lässt. Doch Verteufelungen der Linken funktionieren im Jahr 2008 nicht mehr, sie fallen eher auf den Ankläger zurück. Das hat zuletzt die CSU in Bayern mit ihrem Kreuzzug gegen die Linke bewiesen, der damit endete, dass sie selbst zu Kreuze kriechen musste.

Zudem hat sich die Position der SPD gegenüber den Christdemokraten durch den Austausch ihrer Führung verbessert: Dem Ex-Vorsitzenden Kurt Beck konnte man wegen seiner krampfigen Nichtbeachtung der Linken trefflich eine mögliche Zusammenarbeit im Bund unterstellen, Müntefering und Steinmeier stehen in dieser Hinsicht für klare Kante. Für die SPD bietet Hessen die Chance, in aller Ruhe Erfahrungen mit der Linken in Westdeutschland zu sammeln. Sie wird sie brauchen - im nächsten Jahr wählt das Saarland, die Heimat von Linke-Chef Lafontaine.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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