Kommentar Bankenkrise: Die Banken sind nur noch leere Hüllen

Vor unseren Augen pulverisieren sich die einst mächtigen Banken in ein Nichts. Und der Staat bleibt auf den Verlusten der Finanzkrise sitzen.

Ereignet sich gerade eine "Kernschmelze" des Finanzsystems - oder ist das nur eine bösartige Übertreibung? Diese Frage hat die Beobachter lange beschäftigt. Aber nun ist unübersehbar, dass die Metapher von der Kernschmelze passt. Vor unseren Augen pulverisieren sich die einst mächtigen Banken in ein Nichts. Am Wochenende hat der Spiegel gemeldet, dass allein die zwanzig größten deutschen Banken wohl noch faule Wertpapiere in einem Volumen von ungefähr 220 Milliarden Euro abschreiben müssen. Das wäre die sichere Pleite für die gesamte Branche.

Große Konkurse drohen nicht nur in Deutschland. Weltweit werden neue Rettungspakete geschnürt. Besonders populär ist momentan die Idee einer bad bank, die den Kreditinstituten die faulen Wertpapiere abkauft. Noch stemmt sich Finanzminister Peer Steinbrück dagegen, eine solche Bank auch in Deutschland zu gründen. Und seine Argumente könnten nicht besser sein: Eine bad bank bedeutet für den Staat tatsächlich ein gigantisches Risiko, weil er zur Müllhalde für unverkäufliche Schrottpapiere würde.

Am Ende aber wird Steinbrück keine Wahl haben: Wenn er keine bad bank gründet, dann wird er einige deutsche Banken komplett verstaatlichen müssen. In jedem Fall bleibt er auf den Verlusten sitzen. Denn es gibt ja kaum noch einen Gegenwert: Das Eigenkapital der Banken ist lächerlich, wenn man es mit den drohenden Abschreibungen vergleicht. Und Gewinne machen die meisten Institute auch nicht mehr genug, um die Staatshilfen angemessen zu verzinsen. Viele Banken waren Scheinriesen und sind jetzt nur noch leere Hüllen. Wobei dieses Bild nicht genau stimmt: Real sind ja die unfassbaren Verluste, die sie hinterlassen.

Die USA machen schon vor, wie die nächste Etappe aussieht. Der Staat gibt immer neue Anleihen aus, um die Kosten der Finanzkrise zu decken. Damit taucht eine neue Frage auf, die die Debatte um die "Kernschmelze" ablöst: Wohin führen die immensen Staatsschulden und die explodierende Geldmenge? Droht eine Inflation - oder ganz im Gegenteil eine Deflation, weil die Wirtschaft vollkommen zum Erliegen kommt? In einigen Monaten dürften wir es wissen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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