Lebensmittelchemie macht's möglich: "Analogkäse" auf der Käsepizza
Statt echtem Käse verwenden Bäcker und Imbisse oft eine Pflanzenfett-Billigmischung. Der Verbraucher wird im Dunkeln gelassen. Die Zutatenliste kann helfen.
BERLIN taz Die Käsekruste auf der Pizza ist häufig ein Mix aus Eiweißpulver, Pflanzenfett und Aromazusatz. Dieser Mix heißt "Analogkäse"- ein Pseudokäse. Denn echter Käse ist nach dem Lebensmittelgesetz nur der aus Milch.
Analogkäse ist nicht gefährlich. "Aber es ist eben ein Billigprodukt", sagte Maria Roth, Amtsleiterin des chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Stuttgart, am Donnerstag zur taz. Auch der Deutsche Bauernverband kritisierte den Käseersatz: Nur echter Käse sei "ein gesundes und wertvolles Naturprodukt". Das eigentliche Problem: Oft weiß der Verbraucher nicht, dass er Pseudokäse isst. Manchmal wird er sogar gezielt getäuscht. Der Käseersatz liegt nicht nur auf der Pizza, er kann auch im Cheeseburger, der Lasagne oder dem griechischen Salat stecken. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Kennzeichnungspflichten. "Es darf kein Käse draufstehen, wenn kein Käse drin ist", sagt Martin Rücker vom Verbraucherverband Foodwatch.
Nicht nur der Geschmack leidet beim künstlichen Käse, auch die Milchbauern klagen. Der Analogkäse sei eine zusätzliche Belastung des Marktes, sagt Udo Folgart vom Deutschen Bauernverband. Die Milchpreise sind derzeit so niedrig wie noch nie. Schätzungsweise 100.000 Tonnen Analogkäse werden jährlich in Deutschland produziert - das entspricht etwa einem Zehntel der hierzulande produzierten echten Käsemenge.
Der größte Teil des deutschen Analogkäses wird allerdings exportiert. Die bayerische Firma Jeneil macht die Zutaten für Analogkäse. 95 Prozent ihrer Produktion gehen ins Ausland. Ursprünglich wurde der Analogkäse vor allem für südliche Länder entwickelt. Dort fehlt es oft an Frischmilch und an Kühlkammern. Analogkäse muss nicht Monate im Kühlräumen reifen, sondern kann in 20 Minuten aus seinen Trockenbestandteilen zusammengerührt werden. So gehören zu Jeneils besten Kunden die arabischen Länder.
"Man kann es auch positiv sehen", sagt Max Wiedemann, Chef von Jeneil. Da Analogkäse keine tierischen Milchfette enthalte, sondern nur Milcheiweißpulver und Pflanzenfett, sei er cholesterinverträglich und laktosefrei - zur Freude von Allergikern. Allerdings greifen Fertigprodukthersteller, Imbissbuden und Restaurants in Deutschland aus anderen Gründen auf das Imitat zurück: Es kostet nur rund die Hälfte von normalem Käse.
"Im Einzelhandel ist das Problem für den Verbraucher nicht so groß", sagt Lebensmittelkontrolleurin Roth. Er kann den Analogkäse im Regal erkennen: Er hat dort meistens nicht den Namen Käse, sondern verbirgt sich hinter Produkten wie "Pizza-Mix" oder "Sandwich Scheiben". Auch im "Brotaufstrich" kann Analogkäse stecken. Ein Blick auf die Zutatenliste hilft weiter: Stehen Pflanzenfette und Aromastoffe drauf, ist meist kein echter Käse drin.
Restaurants nehmen es mit der Bezeichnung jedoch oft nicht so genau. Die Stuttgarter Lebensmittelkontrolleure - wie auch ihre Kollegen anderer Bundesländer - überprüfen den Käse bei Verdacht auf falsche Etikettierung. Vor allem bei billigen Schnellimbissen enttarnten sie den Feta im griechischen Salat oft als Kunstkäse.
Auch Bäckereien verstoßen häufig gegen die korrekte Bezeichnung. Das Hessische Landeslabor überprüfte die Käsebrötchen von 92 Bäckereien. Ein gutes Drittel davon enthielt Analogkäse. Bei Tiefkühlpizzen schätzt Jeneil-Chef Wiedemann die Lage ähnlich ein.
Auf Anfrage erklärten die Pizzahersteller Dr. Oetker und Wagner, dass bei ihnen nur echter Käse auf die Pizza komme. Auch die Bäckerketten Kamps, Backwerk und Backfactory verwenden nach eigenen Angaben nur echten Käse. Aldi erklärte ebenso, keinen Anlaogkäse zu haben. Wer sichergehen will, greift zu Biopizza: Die darf nur Biokäse enthalten; er ist immer aus Milch.
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