Sauerland-Prozess endet ohne viel Terror: "Ich möchte nur, dass das vorbeigeht"

Alle vier Angeklagten im Sauerland-Prozess wollen plötzlich Geständnisse ablegen. Einer der Gründe: Langeweile.

Der mutmaßliche Terrorist Adem Yilmaz will ein Geständnis ablegen. Bild: dpa

DÜSSELDORF taz | In den Terrorprozess gegen die sogenannte Sauerland-Gruppe kommt Bewegung. Die vier Angeklagten kündigten an, Geständnisse abzulegen. "Ich werde gestehen, was es zu gestehen gibt", sagte Fritz G., einer der mutmaßlichen islamistischen Terroristen, am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. Sein Verteidiger Dirk Uden kündigte an: "Es wird auch Überraschungen geben." Auch die anderen Beschuldigten erklärten sich zu "umfassenden Einlassungen" bereit.

Bislang hatten die vier Angeklagten im Prozess jegliche Aussage verweigert. Doch am Dienstagmorgen, zu Beginn des 15. Verhandlungstages, teilte überraschend zuerst Adem Y. mit, sein Schweigen brechen zu wollen. "Ich möchte nur, dass das hier vorbeigeht, es ist langweilig", sagte der türkische Staatsbürger. Es mache keinen Sinn, weiter zu schweigen, um dann bei der Verurteilung die "volle Packung" zu erhalten. Der 29-Jährige war seit Prozessbeginn vor sieben Wochen vor allem durch sein aus Sicht des Gerichts unbotmäßiges Verhalten aufgefallen. Aufgrund von Zwischenrufen und seiner Weigerung, sich vor dem Senat zu erheben ("Ich stehe nur für Allah auf!"), hat das Gericht bereits mehrere Ordnungsstrafen gegen ihn verhängt.

Vor einer Aussage wolle er sich allerdings mit den anderen Angeklagten besprechen, bat der 29-jährige Adem Y. Der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling entsprach dem Wunsch und unterbrach die Sitzung im Hochsicherheitsgebäude des Düsseldorfer OLG. Zuvor gab er dem Quartett jedoch noch mit auf den Weg, nur an umfassenden Geständnissen interessiert zu sein: "Alle Karten auf den Tisch - und zwar offen, nicht gezinkt." Bis zum Nachmittag dauerten die Beratungen der vier Beschuldigten. Dann verkündete einer nach dem anderen im Gerichtssaal persönlich oder mittels ihrer Verteidiger, zu umfassenden Einlassungen bereit zu sein. So versprach Anwalt Axel Nagler, sein Mandant Attila S. werde "alle Karten, die er in der Hand hat, auf den Tisch legen".

Laut Anklage sollen Adem Y., Fritz G., Daniel Sch. und Attila S. in der Bundesrepublik eine Terrorzelle der Islamischen Dschihad-Union (IJU) gebildet haben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, mehrere Autobombenanschläge auf US-Bürger und Einrichtungen der USA in Deutschland vorbereitet zu haben. Offenbar um die kurz darauf anstehende Entscheidung des Bundestags über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes zu beeinflussen, hätten sie zeitgleich in Kneipen, Diskotheken und auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein möglichst viele US-Bürger töten wollen.

Adem Y., Fritz G. und Daniel Sch. waren Anfang September 2007 in einer Ferienwohnung im sauerländischen Medebach-Oberschledorn von der Anti-Terror-Spezialeinheit GSG 9 verhaftet werden. Attila S. wurde im November 2007 in der Türkei festgenommen. Er soll die Zünder für die Bomben beschafft haben.

Nach den Geständnisankündigungen sagte das Gericht die für diese und die kommenden Woche geplanten Sitzungstermine ab, um den Angeklagten die Zeit zu geben, ihre Erklärungen vorzubereiten. Richter Breidling warnte sie allerdings vor "angepassten Einlassungen" ebenso wie vor zwischen den Verteidigern abgestimmten Aussagen. In der übernächsten Woche soll der Prozess fortgesetzt werden.

Inzwischen sorgen weitere Erkenntnisse für Wirbel: Ein als dreifacher Mörder verurteilter Somalier soll für Attila S. sechs der Sprengzünder besorgt haben. Das geht nach SWR-Informationen aus Dokumenten des Bundeskriminalamts hervor. Der 27-Jährige habe Monate nach der Übergabe der Zünder an den mutmaßlichen Rädelsführer Fritz G. zusammen mit einem V- Mann des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz drei georgische Autohändler ermordet. Er sitzt deswegen eine lebenslange Haftstrafe ab.

Der Somalier Ahmed H. soll die Zünder von einem Türken aus Ludwigshafen bekommen haben, der seit 2002 Islamist sein und Kontakte zu Geheimdiensten haben soll. Pikant für die rheinland-pfälzische Polizei sei die Nachgeschichte der Zünderübergabe: Vier Monate nach der Festnahme der Sauerland-Gruppe ermordete Ahmed H. im Januar 2008 im Rhein-Neckar-Raum drei georgische Autohändler und raubten ihnen 12.000 Euro. Als Mittäter wurde der irakische V-Mann des LKA Rheinland-Pfalz ausgemacht und verurteilt.

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