Kommentar Einbürgerungspolitik: Steiniger Weg zum deutschen Pass

Sprachprüfungen und Einbürgerungstests verunsichern und schrecken ab. Sie signalisieren, dass wir MigrantInnen als gleichberechtigte BürgerInnen eigentlich nicht wollen.

Angela Merkel hat jüngst zur Einbürgerungsfeier ins Kanzleramt geladen: 16 MigrantInnen überreichte sie eigenhändig die Einbürgerungsurkunde - und am Schluss lächelte sie gemeinsam mit den neuen deutschen Staatsbürgern in die Kameras. Doch medienwirksame Inszenierungen wie diese können nicht darüber hinwegtäuschen: Bei den Einbürgerungen sieht es schlecht aus. Im vergangenen Jahr erhielten nur 94.500 AusländerInnen die deutsche Staatsbürgerschaft. Das ist die niedrigste Zahl seit der Wiedervereinigung.

Die Einbürgerungspolitik der großen Koalition ist gescheitert. Denn statt die Hürden auf dem Weg zum deutschen Pass abzutragen, hat die Bundesregierung diese mit verschärften Sprach- und neuen Einbürgerungstests weiter erhöht.

Natürlich sind Deutschkenntnisse und ein Wissen um die hiesige Gesellschaft bei denen, die Staatsbürger werden wollen, wünschenswert. Doch die Tests schrecken ab - auch dann, wenn faktisch nur die wenigsten Bewerber an ihnen scheitern. Sie verunsichern und signalisieren: Vielleicht wollen wir euch doch lieber nicht.

Problematisch ist auch die insbesondere in der Union verbreitete verbissene Ablehnung des Doppelpasses - zumindest wenn es um Türken und andere Drittstaatler geht. Denn anders als bei EU-Bürgern, die ihre alte Staatsbürgerschaft sehr wohl behalten dürfen, wenn sie die deutsche erwerben, ist bei Türken, Serben und Co. schnell von Loyalitätskonflikten die Rede. Warum aber soll für Türken und Serbinnen das ein Problem sein, was Portugiesen und Bulgarinnen scheinbar problemlos meistern können? Und was in modernen Gesellschaften schlicht die Realität von Millionen Menschen ist? Der Irrglaube gipfelt in der sogenannten Optionslösung, die dazu führt, dass sich tausende hier geborene Jugendliche in den kommen Jahren entscheiden müssen, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft abgeben oder die ihrer Vorfahren.

Ließe man die doppelte Staatsangehörigkeit endlich zu, die Einbürgerungszahlen würden in die Höhe schnellen. Das wäre gut für die Integration. Doch die Bundesregierung nimmt lieber in Kauf, dass hierzulande fast sieben Millionen Menschen ohne deutschen Pass leben. Sieben Millionen Menschen, die nicht mitbestimmen dürfen. Und die nicht wirklich dazugehören. Auf die Dauer ist das für eine Demokratie ein Problem.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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