Kommentar Iran: Generationenkonflikt

Die derzeitigen Proteste haben wenig gemeinsam mit denen im Vorfeld der Revolution von 1979. Es gehen vor allem die jungen Angehörigen der städtischen Mittelschichten auf die Straße.

Die iranische Opposition zieht zu hunderttausenden in Grün, der Farbe des Islam, auf die Straßen, ruft nachts von den Dächern der Hauptstadt "Gott ist groß". Sie könnte jetzt, nach den ersten Toten, gemäß dem traditionellen Trauerrhythmus alle 40 Tage demonstrieren, um an ihre Opfer zu erinnern. Bei der Bewegung zum Sturz des Schahregimes war Letzteres ein wichtiger Faktor der Mobilisierung. Doch damit hören die Ähnlichkeiten auch schon auf, außerdem sind sie äußerlich.

Die iranische Revolution hatte bis zu ihrem Sieg 1979 einen langen Vorlauf. Da gab es Guerillagruppen im Untergrund, einen Theoretiker, Ali Schariati, dessen Bücher begeisterten, die Kassetten des Ajatollah Ruhollah Chomeini und eine politisch, kulturell wie sozial breit gefächerte Bewegung, die sich immer stärker in alle Gesellschaftsschichten ausdehnte, bis die Teilnahme der Ölarbeiter an den landesweiten Streiks dem Regime das Genick brach. Und als schließlich das Militär noch seine Neutralität erklärte, war auch die Gefahr eines Putsches gebannt.

Heute hingegen demonstrieren vor allem junge Angehörige der städtischen Mittelschichten, die Zugang zum Internet haben, darüber kommunizieren und "Freiheit, Freiheit" fordern. Die Angehörigen dieser Generation waren höchstens kleine Kinder, als der iranisch-irakische Krieg 1988 nach acht Jahren endete.

Dieser Krieg mit seiner geschätzten einer Million Toten aber prägte die Generation des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. In seinem Wahlsieg vor vier Jahren zeigte sich nicht zuletzt ein Aufbegehren der Revolutionsgardisten, Soldaten und Freiwilligen, die auf den Schlachtfeldern ihre Köpfe hingehalten hatten. Und zwar gegen die Revolutionäre der ersten Stunde, von denen eine ganze Reihe heute zu den Reformern gehört. Dabei hielt die Kriegsgeneration die Prinzipien der Revolution weiter hoch. Aber sie forderte nun ihren Anteil an der Macht und wurde mit Posten belohnt. Heute besetzen wesentlich weniger Geistliche als früher Schlüsselpositionen im Staat.

Ahmadinedschad, dessen Kabinett "Garnisonsregierung" genannt wird, ist ebenso wenig Geistlicher wie sein Gegenspieler Mussawi. Die Wähler von beiden, die derzeit auf die Straßen gehen, repräsentieren zwei unterschiedliche nachrevolutionäre Generationen, zwischen denen die Kluft immer größer wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Sie bewältigt ihre Arbeit ohne Facebook und Twitter.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.