Wasseranalyse ergibt: Künstliche Süßstoffe in Flüssen
Biologisch abbaubar sind Süßstoffe wie Cyclamat oder Saccharin nicht. Im menschlichen Körper können sie nicht verstoffwechselt werden. Auch Kläranlagen überstehen sie.
BERLIN taz | Wasser aus Kläranlagen und Oberflächenwässern in Deutschland enthält Spuren künstlicher Süßstoffe. Dies hat ein Team von Wasseranalytikern des Karlsruher Technologiezentrums Wasser (TZW) nachgewiesen. Die in Kläranlagen um Karlsruhe sowie in Rhein, Main, Donau und Neckar gewonnenen Ergebnisse sind im Fachblatt Analytical und Bioanalytical Chemistry veröffentlicht.
Konkret geht es um die Chemikalien Acesulfam, Cyclamat, Saccharin und Sucralose. Sie sind häufig Bestandteil von Medikamenten, Bonbons oder Säften. Viele Menschen nehmen sie auch bewusst, um Kalorien zu sparen. Menschen können diese Substanzen nicht verstoffwechseln, sie verlassen daher den Körper so, wie sie aufgenommen wurden.
"Dieses Geschehen im menschlichen Organismus spiegelt sich auch in der Kläranlage wider", veranschaulicht Frank Thomas Lange vom TZW, der als Wasserchemiker zusammen mit Marco Scheurer und Heinz-Jürgen Brauch die Studie durchführte. "Die in den Kläranlagen wirkenden Mikroorganismen können nämlich die betreffenden Chemikalien ebenso wenig verwerten". Auf diese Weise gelangen die gefundenen Süßstoffe in den Wasserkreislauf. Andere untersuchte Süßstoffe, nämlich Aspartam, Neohesperidin und Neotam, werden offenbar im Klärprozess abgebaut. Hinterher waren sie im Wasser nicht mehr nachzuweisen.
Das Karlsruher Team entwickelte eine spezielle Methode, mit der quantitative Messwerte für den Gehalt von Süßstoffen im Wasser zu gewinnen sind. Es handelt sich dabei um ein Verfahren, das die seit 10 bis 15 Jahren im Wasserfach angewandte Kombination von Hochleistungsflüssigkeitschromatografie und Massenspektrometrie nutzt. Damit sind auch gut wasserlösliche Substanzen analysierbar. Bei der früher üblichen Gaschromatografie, bei der die Stoffe verflüchtigt wurden, entzogen sie sich der Analyse.
Nach der Untersuchung des TWZ kann man vor allem den mit bis zu 2,7 Millionstel Gramm pro Liter in Flüssen vertretenen Süßstoff Acesulfam künftig als sogenannten Tracer benutzen. Das heißt, aus seiner Konzentration lässt sich schließen, welcher Prozentsatz eines Gewässers aus Abwässern stammt. "Das bedeutet aber noch lange nicht, dass in diesem Wasser auch andere schädliche Substanzen oder gar Keime enthalten wären", erläutert der Wasserchemiker.
Keine Gefahr für die menschliche Gesundheit sehen die Forscher auch in den ermittelten Süßstoffen selbst. Sie alle sind vielfach von internationalen Expertengremien bewertet worden, auch vom Wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss der EU-Kommission. Alle Süßstoffe, die bei uns in den Flüssen nachgewiesen wurden, sind bei uns zugelassen.
Der TZW-Mitarbeiter rechnet vor: "Ausgehend von den nachgewiesenen Spuren in den Flüssen müssten Sie je nach Süßstoff 10 bis 50 Jahre lang täglich zwei Liter von der Wasser zu sich nehmen, um auf die in einer Süßstofftablette enthaltene Menge zu kommen".
Leser*innenkommentare
karl
Gast
@ hto
Es bleit zu beachten: Nanopartikel und geloste Wasserinhaltsstoffe könnten auch ein erhebliches synergistisches Potenzial bilden....
Da ist durchaus noch was zu tun.
Glück auf!
Karl
hto
Gast
Was die nicht abbaubaren Stoffe im Wasser angeht, da ist doch wohl die Nanotechnologie mit ihrem stetig wachsenden Anteil an Titandioxid am bedenklichsten - Nanopartikel kommen überall hin / überwinden die Blut-Hirnschranke und sind wahrscheinlich haltbarer als Radioaktivität!?
Der "Bio"sektor jedenfalls, hat sich angesichts dessen darauf eingestellt und positioniert sich und seine Produkte zunehmend mit dem Namen Bio-Nano ganz neu - Süsstoff ist da doch wohl ein leicht zu integrierendes Problem / Peanuts!?
Bäääärrrrk!!!
Gast
Wenn es mal bloß Süssstoffe wären aber die Gewässer sind ja auch voll mit Hormonen insbesondere Östrogene die i.d.R. via Frau (Pille) ins Abwasser gelangen. Und insbesondere bei Hormonen sind Mengen im Nanogramm Bereich schon äusserst effektiv.
Jens Schlegel
Gast
Niemand braucht Süssstoffe. Und generell ungefährlich sind sie auch nicht.
Seit wann ist die Konzentration der Stoffe auf das heutige Mass entstanden? Wie hoch wird die Konzentration in 10 Jahren sein? Stiegt der Einsatz von Süssstoffen und somit die Zufuhr in das Abwasser? Haben Süssstoffe überhaubt einen positiven Effekt hinsichtlich der Energiezufuhr oder unterstützen sie nur den Heisshunger aus Süsses?
Diese Fragen zu klären wäre deutlich interessanter als der gesamte Artikel. Und sie fallen einem in 2 bis 3 Minuten ein.
Takeshi
Gast
Wann lassen unsere politischen Mietmäuler endlich andere natürliche Süssstoffe wie z.B. Stevia zu?
Bis her lassen sich unsere politischen Kasperlepuppen von der Zuckerrübenindustrie und den Chemiewerken ja super fernsteuern.
Stevia ist weltweit als unbedenklich eingestuft, nur die EU mauert. Warum wohl?
Karl
Gast
Die nachgewiesenen Konzentrationen sind im Bericht überinterpretiert worden. Es ist nicht statthaft anhand von Zeitpunkt-Proben auf die Gesamtfracht an Zielsubstanz für ein gegebenes Wasservolumen zu schließen.
Vielmehr ist auf diese Weise nur eine fehlerbehaftete Annäherung möglich.
Gehalte von Zielsubstanzen in Einzelproben können, müssen aber nicht, in einem festen Verhältnis zum Wasservolumen stehen. Erfahrungsgemäß handelt es sich bei Realproben (Zeitpunkt-Proben) meist um Einzelaussagen die aus dynamischen Gleichgewichtssystemen entnommen worden sind und dann ohne Kenntnis dieser Gleichgewichte interpretiert werden. Das führt dann bisweilen zu Fehleinschätzungen.
D.h. bevor eine weitreichende Aussage zur möglicherweise aufnehmbaren Dosis gegeben werden kann, müsen die Zielsubstanzfracht und die systembestimmenden Gleichgwichte bekannt sein (pH, Stabilitätsfelder in-situ!).
Dazu gibts auch schon geeigente technische Grundlagen und Projekte!
Diese werden aber nur ungern angewendet, weil die bisherigen Ansätze, wie auch dieser, erheblich ungenauer sind und meist zu niedrige Gesamtfrachten liefern...außerdem würde sich zeigen das die Modellierungssoftware eigentlich ihren Aufgaben nicht gerecht werden kann...aber schöne bunte Bilder liefert.
Eine grundsätzlich wichtige Arbeit die aber durchaus noch der Verfeinerung bedarf.
Glück auf
Karl
Uwe
Gast
"Ausgehend von den nachgewiesenen Spuren in den Flüssen müssten Sie je nach Süßstoff 10 bis 50 Jahre lang täglich zwei Liter von der Wasser zu sich nehmen, um auf die in einer Süßstofftablette enthaltene Menge zu kommen".Ihren Kommentar hier eingeben
Oh der Fehlerteufel...
Stanley Williams
Gast
na und? es ist mir doch egal, was irgendwelche lobbyisten für ungefährlich halten. ob die einen stoff nun zulassen oder nicht, sagt doch nichts über seine gefährlichkeit aus................
denninger
Gast
Danke, Barbara, dass Du mich mit Deinem Artikel so erfreut hast, dass ich den Tod vom King Of Pop eine Zeit lang vergessen konnte.
Das ist wieder ein echter Kerneck (SCNR).
Schon der erste Satz des Haupttextes besticht durch eine wirklich unerwartete Puralbildung.
Aber schon geht es weiter. Die "Ergebnisse" wurden "in Kläranlagen" und Flüssen "gewonnen" und nicht etwa im TZW aus Wasserproben ermittelt.
Die Gambler vom TZW "gewinnen" überhaupt alles, sogar "Messwerte".
Die Verwendung der deutschen Übersetzung statt dem allgemein verständlichen Kürzel "HPLC" für eine Analysemethode erstaunt und macht neugierig auf weitere lyrische Spezereien.
Aber leider leider, es wird etwas eintönig. Außer eine etwas seltsame Verwendung eines Konjunktivs erheitert mich nichts mehr im Folgetext.
Die Logik hinter der These, die "ermittelten Süßstoffen" stellten "keine Gefahr für die menschliche Gesundheit" dar, da sie ja "vielfach von internationalen Expertengremien" "bewertet wurden" überrascht nicht wirklich wenn man Barbaras Artikel kennt.
Da tröstet mich auch der heitere Vergleich von jahrzehntelangem Wassertrinken mit einer Süßstofftablette nicht.
Also muss ich, nach einer kurzen, durch den aussagelosen ("Im Wasser sind Süßstoffe, aber das ist voll egal.") Artikel bedingten Zäsur doch wieder um Michael Jackson weinen.
Curt
Gast
Dass die genannten Süßstoffe in geringen Mengen keine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, dürfte falsch sein. Größtes Risiko sind die sog. pseudoallergischen Reaktionen.
Unter der genannten Bedingung, fehlende Abbaubarkeit, ist sowieso ein Verbot dieser Stoffe angebracht, um unser Trinkwasser langfristig zu schützen.
michaelbolz
Gast
Wovon man nicht sprechen will, darüber lieber schweigen.
Kein Satz davon, was eine derartige Kontamination mit der Umwelt macht, aber wer weiß das schon.
Brauchen Fische Süssstoffe?
Johnny
Gast
taz hat also photocase.com entdeckt ;)