Islands neue Gesundheitspolitik: Teure Naschereien

Reykjavik verbindet Steuer- mit Gesundheitspolitik und hebt den ermäßigten Mehrwertsteuersatz an: Für Lebensmittel mit hohem Zuckergehalt gelten bald 24,5 statt 7 Prozent.

Süßes zwischen den Zähnen kann in Island zum wahren Luxus werden. Bild: dpa

STOCKHOLM taz | Die schwindsüchtige Währung hat den Alltag für die Isländer schon teuer genug gemacht. Nun will die Regierung es ihnen auch noch vergällen, den Frust bei einer Schachtel Pralinen oder einer Tafel Schokolade zu vergessen. Zum 1. September führt sie eine Steuer auf alles Süße ein. Für Limonaden, Kekse, Bonbons und alles, was einen hohen Zuckergehalt hat, gilt dann der ermäßigte Lebensmittelmehrwertsteuersatz von 7 Prozent nicht mehr. Sie unterliegen dann stattdessen dem normalen Mehrwertsteuersatz von 24,5 Prozent.

Ausgedacht hat sich diese neue Einkommensquelle für den Staatssäckel nicht etwa der Finanzminister, sondern Gesundheitsminister Ögmundur Jónasson. Den letzten Anstoß gab ein alarmierender Bericht über die Zahngesundheit isländischer Kinder und Jugendlicher: Bei über 15 Prozent ist es damit gar nicht gut bestellt, ZahnärztInnen sehen als Hauptursache den Limonadenkonsum. Mit jährlich 150 Litern pro Kopf sollen die IsländerInnen den inoffiziellen Rekord im Cola- und Limo-Trinken halten. Und auch beim Zuckerkonsum liegen sie mit fast 50 Kilo vorn. Die Deutschen naschen ein Viertel weniger.

Ingibjörg Sara Benediktsdóttir, Vorsitzende der isländischen Zahnärztevereinigung Tannlæknafélag, begrüßt die Verteuerung, möchte sie aber gern auch auf Zuckerersatzstoffe ausgedehnt sehen: "Die zuckerfreien Getränke sind für ähnlich viele Schäden am Zahnschmelz verantwortlich wie Zucker."

Konsumentenorganisationen meinen, Aufklärung sei besser als eine Steuererhöhung. Die Lebensmittelbranche ist natürlich ebenfalls kritisch und weist darauf hin, dass der Einkaufswagen für die IsländerInnen nun noch teurer und die Inflationsrate in die Höhe getrieben werde. Die Preise werden allenfalls um 0,25 Prozent steigen, hält das Finanzministerium dem entgegen. Und das solle einem die Gesundheit wert sein.

In Island könnte die Zuckersteuer wegen der Insellage tatsächlich Wirkung entfalten. In Schweden wurde eine Zucker- und Fettsteuer lange diskutiert, aber letztlich abgelehnt, weil sie nur zu verstärktem Grenzhandel hätte führen können. Auch die DänInnen wichen nach Einführung einer Limonadensteuer einfach nach Deutschland aus und deckten sich dort ein. Vor zwei Monaten schlug eine von der Regierung eingesetzte Gesundheitskommission trotzdem die Verdopplung der Süßigkeitensteuer vor. Durch weniger zucker- und fettreiche Kost könnten jährlich 4.000 vorzeitige Todesfälle vermieden werden, argumentierte sie.

In Skandinavien gibt es auch den Vorschlag, statt Chips und Limo mit einer Strafsteuer zu belegen, "gute" Lebensmittel steuerlich zu entlasten. Warum nicht bei jeder Ware Vitamingehalt, Qualität des Herstellungsprozess oder Ähnliches analysieren und sie dann anhand einer "Nützlichkeitsskala" steuerlich begünstigen? Hauptargument: So könnte man diese Produkte für KonsumentInnengruppen wie Niedrigverdiener, Familien mit Kindern und RenternerInnen attraktiver machen, bei denen sich steuerliche Mehr- und Minderbelastung am direktesten in der Brieftasche bemerkbar macht. GegnerInnen verweisen auf Abgrenzungsprobleme, teuere Administration und grundsätzliche Bedenken gegen derartige staatliche Einmischung.

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