Kolumne Frauen: So attraktiv ist Verweigerung

Die "Bild"-Zeitung stellt Berlins schönste Single-Frauen vor. Doch richtig anziehend sind andere.

Damit eins gleich mal klar ist: Es gibt Dinge, die ich mir von der Bild-Zeitung einfach nicht sagen lassen muss, eine ganze Menge sogar, etwa dass ich Tomaten auf den Augen hätte. So geschehen in der Ausgabe vom 24. Juni unter der Überschrift "Das sind die 10 schönsten Single-Frauen Berlins". Ähem, ja … - beim Anblick der Fotos habe ich mich gleich gefragt, ob die Redaktion mit diesem Pauschalvorwurf ("Oder weshalb sind diese sexy Frauen alle noch allein?") nicht zuvörderst von ihrer eigenen Blindheit ablenken wollte.

Denn man muss nur eine halbe Stunde durch Berlin laufen, um zehn Frauen zu sehen, die man eher ehelichen würde als "PR-Lady" Tina Schürmann und ihre neun Leidensgenossinnen. Aber die Frauen von der Straße tragen halt nicht so häufig Abendkleid wie die irgendwie prominenten Single-Frauen von Bild, sondern, wenn sie es überhaupt mal in das Springer-Blatt schaffen, nichts.

Wer nicht die Maße eines Seite-1-Girls hat, kann es mit Seelenstriptease versuchen. Dass die Single-Frauen Bild nicht in ihr Innerstes blicken lassen, könnte Vorsicht sein, allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass manche so beschaffen sind wie die Filmkulissen in Babelsberg: schicke Fassade und dahinter nix - gähnende Leere. Dass ich als Single durch die Lektüre der "Bild-Steckbriefe" nicht auf eine der zehn Single-Frauen neugierig werde, könnte allerdings auch an Bild liegen. Ich hoffe inständig, dass kein Mensch auf diesem Planeten so belanglos ist, dass ihm oder ihr Sätze wie "Sie reist für den Job durch die Welt und liebt Yoga" oder "Sie liebt marokkanische Outfits" gerecht werden.

Geredet hat Bild offenbar vorsichtshalber mit keiner der Damen - zu viel Recherche macht am Ende nur die schöne Geschichte kaputt -, in den zehn Textchen finden sich nur zwei blutleere Zitate: "Einen Stubenhocker brauche ich nicht" (Schürmann) und "Immer wenn ich in Deutschland bin, lerne ich Berliner Männer kennen" (Sandra Speichert), und auch von einem "Will erst mal Single bleiben" im Falle von "Tatort"-Kommissarin Simone Thomalla lässt Bild sich nicht von der Suche nach einem geeigneten Kandidaten für die Nachfolge Rudi Assauers abhalten.

Auch die Schauspielerin und Sängerin Meret Becker wollte Bild mal verkuppeln. Ohne Erfolg. Sie wollte nicht und schickte ihre Anwälte. Eine knappe Woche nach der Schlagzeile "Ich suche einen Mann" erschien im Mai 2008 die Gegendarstellung "Ich suche keinen Mann" im Berlin/Brandenburger Lokalteil von Bild - über den Stellen- und nicht über den Kontaktanzeigen wohlgemerkt. Seitdem möchte ich Meret Becker heiraten - auch wenn sie nicht will. Ihre Verweigerung hat sie attraktiv gemacht. Denn Frauen, die sich von Bild nicht vereinnahmen lassen, sind mir tausendmal lieber als solche, die aus Angst vor schlechter - oder für C-Promis schlimmer noch: gar keiner - Presse ein Spiel mitspielen, dessen Regeln andere bestimmen.

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