Müllmann nahm Kinderbett mit: Kündigung unwirksam

Ein Mannheimer Müllarbeiter bewahrt ein Kinderbett vor der Verschrottung - und wurde dafür rausgeschmissen. Die Kündigung war nicht verhältnismäßig, sagt jetzt das Arbeitsgericht.

Die fristlose Entlassung von Mehmet G. war laut Arbeitsgericht unverhältnismäßig. Bild: dpa

MANNHEIM taz | Müllarbeiter Mehmet G. dachte einfach nur an seine beiden Töchter, als er im Dezember des vergangenen Jahres ein Kinderreisebettchen aus dem Müll fischte und es nach Dienstschluss mit nach Hause nahm. "Diebstahl von Firmeneigentum", sagte sein Arbeitgeber, ein privates Mannheimer Entsorgungsunternehmen, und kündigte dem 29-Jährigen fristlos. Und das, obwohl das Bett ohnehin verschrottet worden wäre.

Damit wollte sich Mehmet G. nicht abfinden und zog vor das Arbeitsgericht. "Ich möchte nicht als Dieb dastehen", sagte er. "Das Bett war hundert Prozent Müll, ich habe der Firma nichts weggenommen."

Am Donnerstag hat das Mannheimer Arbeitsgericht entschieden: Das Verhalten des Mitarbeiters sei nicht korrekt gewesen, dennoch sei die Kündigung unwirksam. Sie verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar sei es tatsächlich Diebstahl, das Kinderbett mit nach Hause zu nehmen. Allerdings sei davon auszugehen gewesen, dass Mehmet G. das Kinderbett bekommen hätte, wenn er die Firma vorher um Erlaubnis gefragt hätte - zumal das Bett für den Arbeitgeber keinerlei Wert gehabt habe. Das Maß des Verschuldens sei daher gering, so das Arbeitsgericht.

Kündigungen wegen angeblichen Diebstahls haben in den vergangenen Wochen immer wieder für Aufregung gesorgt. Oft steht der Verdacht im Raum, dass Firmen so missliebige Mitarbeiter loswerden wollen.

Bundesweit bekannt wurde der Fall der Berliner Supermarktkassiererin Barbara E. ("Emmely"), die unberechtigt zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst haben soll und deshalb gekündigt wurde. Das Landesarbeitsgericht Berlin entschied zugunsten des Arbeitgebers, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sprach daraufhin von einem "barbarischen Urteil von asozialer Qualität". Vor kurzem hat das Bundesarbeitsgericht die Revision in dem Fall zugelassen.

Im September 2008 erklärte das Arbeitsgericht Frankfurt am Main die fristlose Kündigung einer Küchenhilfe für rechtmäßig. Die Frau hatte nach Feierabend drei Fischbrötchen mitgenommen, ohne sie zu bezahlen. Das Argument, die Brötchen seien sowieso für den Müll bestimmt, half nicht.

Vor dem Arbeitsgericht Heilbronn wurde vergangene Woche ein Rechtsstreit wegen angeblichen Diebstahls von zwei Brötchen einvernehmlich beigelegt. Die Hohenloher Krankenhaus GmbH zog den Vorwurf zurück, die gekündigte 60-jährige Küchenhelferin habe die Brötchen gestohlen. Im Gegenzug erklärte sich die Frau mit ihrer Kündigung zum 30. September einverstanden. Bis dahin bekommt sie weiter ihr Gehalt, außerdem erhält sie eine Nachzahlung. Im Februar waren im Spind der Frau zwei Brötchen entdeckt worden. Die Frau beteuerte, ein Auslieferungsfahrer habe den Mitarbeitern regelmäßig eine gewisse Anzahl Brötchen geschenkt.

Im März erklärte das Arbeitsgericht Wuppertal dagegen die fristlose Kündigung einer 48-jährigen Angestellten wegen 0,59 Euro für unwirksam. Die Mitarbeiterin benötigte nach Ladenschluss noch Damenbinden und ließ das Geld dafür absprachegemäß auf einem Tisch liegen. Später wurde ihr Diebstahl vorgeworfen. WOS

In den Wochen zuvor hatte die Vorsitzende Richterin Sima Maali-Faagin versucht, das Entsorgungsunternehmen und Mehmet G. zu einem Vergleich zu bewegen. Ihr Vorschlag: Die fristlose Kündigung solle in eine ordentliche umgewandelt werden und der Mann eine Abfindung in Höhe von zwei Monatsgehältern bekommen. Mehmet G. hatte fast neun Jahre lang für die Mannheimer Firma gearbeitet und verdiente rund 2.650 Euro brutto. Einen solchen Vergleich lehnte das Entsorgungsunternehmen jedoch ab.

Mehmet G. und seine Kollegen hatten das Kinderbett im Dezember originalverpackt in einem Karton im Altpapier gefunden. Ihre Aufgabe war es, das Papier zu sortieren, bevor es in die Altpapierpresse kommt. Die Kollegen sollen dem Müllarbeiter noch geraten haben, das Kinderbett mit nach Hause zu nehmen. Das tat er dann auch. Nach Dienstschluss trug er es vor den Augen der anderen Mitarbeiter und gefilmt von Überwachungskameras vom Firmengelände zu seinem Auto, um es seinen eineinhalb und fünf Jahre alten Töchtern mitzubringen.

Auch das Entsorgungsunternehmen hatte während des Prozesses eingeräumt, dass das Bett ansonsten auf dem Schrott gelandet oder verbrannt worden wäre, hatte aber dennoch auf der fristlosen Kündigung bestanden. Man dürfe fremdes Eigentum eben nicht einfach mitnehmen, argumentierte die Anwältin der Firma vor Gericht. Zudem sei Mehmet G. bereits im Dezember 2007 schon ein Mal abgemahnt worden, weil er Toilettenpapier eingepackt habe, das zur Entsorgung bestimmt gewesen sei. Mehmet G. bestritt dies.

Nach dem Urteil vom Donnerstag müsste die Entsorgungsfirma dem 29-Jährigen rückwirkend Gehalt ausbezahlen und ihn weiter beschäftigen. Darüber will Mehmet G. aber erst mal nachdenken, zumal er seit zwei Wochen einen neuen Job habe. Sein Anwalt geht ohnehin davon aus, dass das Unternehmen Berufung einlegen wird.

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