Proteste gegen Nazi-Fest: Ziviler Ungehorsam unerwünscht

Bis zu 2.500 Neonazis aus ganz Europa erwartet die Polizei zum "Fest der Völker" im thüringischen Örtchen Pößneck. Die Behörden machen den Gegendemonstranten das Leben schwer.

Vielbeschäftigte Antifa: Demo gegen rechtes Konzert in Pößneck im März diesen Jahres. Bild: dpa

Jenas Schüler bemalen seit Wochen Stoffbahnen mit Anti-Nazi-Slogans. Doch die Schüler mögen noch so fleißig sein. Die Behörden wollen ihnen untersagen, die Parolen an den Häusern im thüringischen Pößneck aufzuhängen. Am Pößnecker Viehmarkt hat die NPD für Samstag ein "Fest der Völker" angemeldet. Polizei und lokale Behörden sehen die Gefahr aber eher in den Bannern - denn die Neonazis könnten sie als Provokation auffassen und mit Brandsätzen entzünden.

In Pößneck, einem Städtchen mit 13.000 Einwohnern, wird am Wochenende ein gigantischer Aufmarsch von Neonazis aus ganz Europa erwartet. Zum inzwischen vierten "Fest der Völker" rechnet die Polizei mit bis zu 2.500 Kadern und Konzertbesuchern. Gegen den Auftritt mehrerer rechtsextremer Bands unter anderem aus Ungarn, Litauen und Spanien wehrt sich ein Mosaik zivilgesellschaftlicher Gruppen. Aber bei den Behörden weiß man nie genau, auf wessen Seite sie stehen.

Zwar hat das Landratsamt den Nazis das Treffen vergangene Woche offiziell verboten. Doch glaubt niemand daran, dass dieses Verbot vor dem Verwaltungsgericht in Gera Bestand haben wird. Die NPD hat bereits Widerspruch eingelegt. Deswegen bereiten sich Pößnecker und vor allem Jenaer Bürgerrechtler weiter darauf vor, wie sie Konzert und Demonstration am Samstag stören oder sogar verhindern können. Mit teils grotesken Auflagen der Behörden.

Die "Meile der Demokratie", ein Gegenfest zivilgesellschaftlicher Gruppen und Initiativen wird immer kürzer. Sie wurde per Auflagen weg vom Aufmarschplatz der Nazis gelegt. "Wir haben das Recht, in Ruf- und Sichtweite gegen das Nazi-Konzert in Pößneck zu demonstrieren - dieses Recht wird uns scheibchenweise genommen", sagt Wiebke Zeil, Schülerin der Jenaplan-Schule in Jena.

Auch der evangelische Landesjugendkonvent ist sauer. Er wollte massenhaft Papierschiffchen gegen Rechts falten - mit politischen Botschaften darauf. Aber die Boote der Demokratie können nun nicht in der Kotschau ausgesetzt werden, denn die Behörden sehen dies als Provokation für die Neonazis an. Sie haben die Demokratiemeile deshalb weg vom Fluss verlegt.

Auch Pößnecks Bürgermeister Michael Modde (Freie Wähler) möchte kein Nazifest in seiner kleinen Stadt. Er unterstützt daher die Meile der Demokratie, bei der 40 Wohltätigkeitsvereine, die Kirche, Sportvereine und Aktionsnetzwerke gegen Rechts auftreten werden. Aber er sagt auch: "Bei Gegendemonstrationen lehne ich jegliche Ordnungswidrigkeit ab". Modde will offenbar vermeiden, wie er sagt, "dass die Neonazis meinen, wir würden undemokratisch mit ihnen umgehen."

Judith Dreiling von Jenas "Aktionsnetzwerk gegen Rechstextremismus" weiß nicht recht, was sie darüber denken soll. "Wir können nicht immer nur sagen, die Stadt soll den Naziaufmarsch verbieten, am Ende sind wir alle die Stadt, die das verhindern müssen." Dreiling ist Studentin und sie hat die bisherigen Feste der Völker als traumatische Erlebnisse in Erinnerung.

"Du stehst da mit allen Repräsentanten der Stadt - und wirst von der Polizei eingekesselt. Gleichzeitig ziehen die Nazis lachend an dir vorbei", erzählt sie. Ihr Schluss: "Wir müssen Handlungsfähigkeit zurückgewinnen." Und das heißt, "wir müssen auch zivilen Ungehorsam zeigen." In Bürgermeister Moddes Terminologie bedeutet das aber: Ordnungswidrigkeit.

Das Ringen um zivilgesellschaftliches Terrain geht im Osten zäh voran, aber es kann erfolgreich sein. Das Jenaer Aktionsnetzwerk, kirchliche Gruppen und Aktivisten bis zu Oberbürgermeister Albrecht Schröter ist es gelungen, das "Fest der Völker" aus der Universitätsstadt Jena zu vertreiben. Die Jenaer NPD weicht daher mit ihrem Fest zum zweiten Mal auf umliegende Orte aus.

Zivilen Ungehorsam dorthin zu exportieren ist nicht leicht - aber wichtig. Die Jenaer NPD braucht das "Fest der Völker", um ihre angeschlagenen Finanzen zu sanieren. Oberstes Ziel der NPD aber ist eine weit über das regionale hinaus gehendes Mobilisierungsfestival zu etablieren: der Name "Fest der Völker" knüpft an Leni Riefenstahls Olympiafilm an, das Fest gilt in der internationalen Naziszene als Marke.

In der Tat ist es beklemmend, was auf Pößneck am Wochenende zukommen könnte. Beim "Rock für Deutschland" kreuzten jüngst im thüringischen Gera nicht die erwarteten 1.500 Neonazis auf, sondern 4.000. Sollte eine solche Armee von Nationalisten in Pößneck auftreten, würde das die Gegenbewegung erschweren. Die Meile der Demokratie besteht bislang nur aus ein paar Hundert Leuten.

"In Pößneck werden viele Bürger am Samstag die Rolläden runterlassen, wir brauchen aber möglichst viele Bürger auf der Meile der Denokratie", sagt Falko Heimer, der vor Ort als Sozialarbeiter Jugendliche betreut. Er hofft zwar, dass es keine Gewalt gibt. Allerdings weiß er auch, dass dies den Rechtsextremen in die Hände spielt. "Das sind keine Knobelbechernazis, die hier zum Saufen kommen, sondern geschulte Kader, die eine weit reichende Strategie verfolgen", sagte er der taz. "Es ist in derem Sinne, wenn ihr Nazifest gesittet abläuft."

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