Berlusconi entgleist: Ein schlechter Verlierer
Ministerpräsident Silvio Berlusconi verliert die Immunität. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts beschimpft er Richter und Staatspräsident Napolitano.
Italiens Verfassungsgericht hat Silvio Berlusconi die Immunität entzogen, die er sich selbst letztes Jahr per Gesetz verschafft hat. Am Mittwochabend entschieden die 15 Verfassungsrichter mit einer Mehrheit von neun zu sechs Stimmen, dass dieses Immunitätsgesetz gegen zwei Punkte der Verfassung verstößt: gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen die Vorschrift, dass Fragen der Immunität nur per Verfassungsänderung zu regeln sind.
Ministerpräsident Berlusconi hatte nach seinem klaren Wahlsieg über die Mitte-links-Allianz im April 2008 die Regierungskoalition ein einfaches Durchführungsgesetz beschließen lassen, das die Inhaber der vier höchsten Staatsämter - die Staats- und der Ministerpräsidenten sowie die Präsidenten des Abgeordnetenhauses und des Senats - für die gesamte Dauer ihrer Amtszeit vor Strafverfolgung schützt. Der Schutz gilt für alle Verbrechen, egal ob sie Jahre vor oder während der Amtszeit begangen wurden, egal ob es sich um Korruption, Mord oder Vergewaltigung handelt.
Allen politischen Beobachtern in Italien war sofort klar, dass es in Wirklichkeit nicht um den Schutz der vier höchsten Repräsentanten ging, sondern nur um einen: um Berlusconi selbst, der in den letzten fünfzehn Jahren immer wieder vor Gericht stand - und der schon in seinen Regierungsjahren 2001 bis 2006 mit kreativer Rechtsgestaltung diverse Prozesse vorzeitig beenden konnte.
Auch im letzten Jahr wurde das Immunitätsgesetz förmlich maßgeschneidert. Berlusconi verzichtete auf eine Verfassungsänderung, weil er schlicht keine Zeit mehr hatte; ein Prozess gegen ihn befand sich schon in weit fortgeschrittenem Stadium. Dieser sowie zwei weitere Verfahren werden jetzt wieder aufgenommen.
Berlusconi reagierte auf die Aufhebung seiner Immunität mit heftigen Ausfällen gegen die Verfassungsrichter ebenso wie gegen den Staatspräsident Giorgio Napolitano. "Vom Staatspräsidenten wissen wir, wo er steht. Wir haben außerdem Verfassungsrichter, die von drei aufeinanderfolgenden linken Staatspräsidenten benannt wurden und die aus dem Verfassungsgericht nicht ein Organ der Garantie, sondern ein politisches Organ machen." Nachdem Napolitano erklärt hatte, er "stehe auf der Seite der Verfassung", gab Berlusconi zurück: "Es interessiert mich nicht, was der Präsident sagt."
Berlusconi gibt damit die Strategie seines Rechtsbündnisses klar vor: In der Substanz verweigert er dem Spruch der Verfassungsrichter die Anerkennung und scheut auch einen Verfassungskonflikt mit dem Staatspräsidenten nicht. Italiens Premier ist überzeugt, dass die selbst durch monatelange Sexskandale nicht getrübte Zustimmung der Wähler auch durch erneuten Ärger mit der Justiz nicht leiden wird. Schließlich arbeitet er seit 15 Jahren daran, dem Wahlvolk zu erklären, dass er Opfer einer politisierten Justiz ist. Und seit 15 Jahren spielt er das Wählervotum gegen das Gesetz aus. Noch in den letzten Tagen wurde darüber spekuliert, ob Berlusconi auf mögliche Neuwahlen setzen würde, um die Justiz mit einem rauschenden Wahlsieg endgültig zu neutralisieren. Doch am Mittwochabend gaben die Sprecher der Regierung die Parole aus, Berlusconi werde "bis zum Ende der Legislaturperiode, bis 2013 weitermachen". Stattdessen sollen die Regionalwahlen im März 2010 in ein Plebiszit für den Regierungschef umfunktioniert werden.
Leser*innenkommentare
Sigrid Reh
Gast
Freut mich auch für Umberto Eco, der mutig gegen Berlusconi geschrieben hat. Gibt ja doch noch hin und wieder einen Hoffnungsschimmer.
Amos
Gast
Diesen Kerl, Berlusconi, Kann man nur wieder "auf den Teppich holen" in dem man ihn von seinem Reichtum befreit. Dann wird er klein wie ein Wurm.