Tübinger Student Fabian Everding: "Wir lassen uns nicht vertreiben"

Die Räumung der Tübinger Uni hat eine "Jetzt erst recht"-Haltung ausgelöst, sagt der Student Fabian Everding. Denn die Proteste haben einen Hintergrund: Zu wenig Geld für Bildung.

In der Kritik steht auch die schlechte Umsetzung von "Bologna". Bild: dpa

taz: Herr Everding, seit dieser Woche steigert sich von Tag zu Tag die Anzahl der Universitäten, in denen Studierende Hörsäle besetzen. Wohin können die Proteste führen?

Fabian Everding: Wir wollen ein Signal an die Politik setzen: So kann es in der Bildung nicht weitergehen. Wir wollen aber auch ganz normalen Menschen klarmachen, dass man für Bildung endlich Geld ausgeben muss. Da ist Deutschland im europäischen Vergleich weit hintenan. Das muss sich unbedingt ändern. Deshalb besetzen wir jetzt Universitäten.

Wie sehen Sie die Bildungspolitik der neuen Regierung?

Der 27-Jährige studiert im fünften Semester Empirische Kulturwissenschaften und Soziologie in Tübingen.

Man hat den Eindruck, dass alles eher noch schlechter wird. Ich weiß zum Beispiel nicht, wie man Steuersenkungen finanzieren will und gleichzeitig die Bildung verbessern möchte. Es ist doch jetzt schon zu wenig Geld für soziale Zwecke da.

Welches sind konkrete Probleme, gegen die Sie sich mit dem Protest wehren wollen?

Das geht von mangelnden Finanzmitteln bis zur schlechten Umsetzung des Bologna-Prozesses. Man gewinnt aber mittlerweile auch das Gefühl, dass durch angebliche Praxisorientierung Universitäten zu kostenfreien, staatlichen Ausbildungsanstalten für Unternehmen werden sollen.

Was heißt das?

Beispielsweise werden Geisteswissenschaften kaum mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Bei uns in Tübingen gibt es eine Anglistikvorlesung, in der 700 Studenten in einem Raum sitzen, in dem für maximal die Hälfte Platz ist und die Vorlesung aus Not in andere Räume übertragen wird. Unsere Sorge ist: Um das Problem zu beheben, wird brutal bei den Prüfungen aussortiert, statt die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Nun ist in Tübingen die Besetzung des Hörsaals 25 durch die Polizei aufgehoben worden. Sind Sie damit gescheitert?

Im Gegenteil. Am Abend vor der Räumung kam der Rektor zu uns ins Plenum – zu keiner Sitzung hatten wir mehr Zulauf als an diesem Zeitpunkt. Die Räumung hat uns wesentlich mehr Unterstützer und Aktivisten gebracht als vorher dabei waren. Es ist eine "Jetzt erst recht"-Haltung entstanden. Viele sagen nun: Wir lassen uns nicht vertreiben.

Am Dienstag beginnen bundesweit die Uni-Streiks. Was erwarten Sie davon?

Es wird mit Sicherheit eine große Sache. Viele Studenten, die bisher nicht engagiert waren, beginnen sich für die Proteste zu interessieren. Die nächste Woche kann ein echter Neuanfang werden.

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