Wissenschaftler für Open Access: Freier Zugang zu Forschungsergebnissen

Die Open-Access-Bewegung setzt sich dafür ein, dass wissenschaftliche Publikationen im Internet frei zugänglich sind.

Das breite Interesse zeigt, dass die Open-Access-Bewegung über ein paar onlineaffine Contentverschenk-Hippies hinausgeht. Bild: screenshot open-access.net

BERLIN taz | Wissenschaftler sind keine Bestsellerautoren. Ihre Werke über Oberflächenstrukturen, Insekten-DNA oder höhere Mathematik werden es niemals mit den Absatzzahlen von "Harry Potter" oder Schätzing-Romanen aufnehmen können. Reich wird also niemand mit solchen Veröffentlichungen - doch in der akademischen Welt ist es ohnehin die Veröffentlichung an sich und der Ruf des Autoren, der sehr viel schwerer wiegt als Honorare. Und nichts befördert die Reputation besser als eine möglichst weite Verbreitung der Forschungsergebnisse, sodass Kollegen Notiz davon nehmen.

Das findet auch Lars Fischer. "Wissenschaft lebt von Offenheit und Kommunikation", antwortet er, wenn man ihn fragt, warum er beim Bundestag eine E-Petition für "Open Access" eingereicht hat. Fischer ist studierter Chemiker, Wissenschaftsjournalist und Blogger bei wissenslogs.de. "Die Petition soll die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass der Open-Access-Gedanke breite Unterstützung genießt."

Tatsächlich ist die Unterstützung groß. Bis zum Redaktionsschluss dieser Zeitung haben bereits mehr als 19.500 Menschen die E-Petition unterzeichnet. Das reicht aber nicht aus, um vor dem Petitionsausschuss des Bundestags eine Anhörung dazu zu erzwingen, dass "wissenschaftliche Publikationen, die aus öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, allen Bürgern kostenfrei zugänglich sein sollen", wie es im Text der Petition heißt. Die breite Unterstützung zeigt auch, dass die Open-Access-Bewegung über ein paar onlineaffine Contentverschenk-Hippies hinausgeht.

Die E-Petition für Open Access kann unter epetitionen.bundestag.de noch bis zum 22. Dezember 2009 unterzeichnet werden. Sollten bis dahin 50.000 Personen die Forderungen des Wissenschaftsjournalisten Lars Fischer unterstützen, wird es eine Anhörung vor dem Petitionsausschuss des Bundestages geben.

19.500 Menschen haben bisher die E-Petition unterschrieben. Vor Ärger mit dem Verlag seines Magazins, dem Holtzbrinck-Verlag, fürchtet sich Petitionsinitiator und Wissenschaftsautor Fischer nicht: Seine Open-Access-Forderungen bezögen sich nicht auf Publikumstitel wie sein Spektrum der Wissenschaft, sondern nur auf Fachzeitschriften mit Peer Review. Außerdem würden Holtzbrinck-Autoren nicht vom Staat für ihre Texte bezahlt.

Das allein ist nicht selbstverständlich - schließlich wandten sich im Frühjahr 2009 zahlreiche Autoren, Chefredakteure und Verleger im "Heidelberger Appell" gegen Open Access. Wissenschaftsorganisationen, die "Open Access" unterstützen, wurden "weitreichende Eingriffe in die Presse- und Publikationsfreiheit" vorgeworfen, "deren Folgen grundgesetzwidrig wären". Autoren würden "auf eine bestimmte Publikationsform" festgelegt. Vorwürfe, die der Philosophieprofessor Roland Reuß formuliert hatte und für die er in Autoren wie Daniel Kehlmann und Günter Grass, dem Soziologen Ulrich Beck, der damaligen taz-Chefredakteurin Bascha Mika und vielen anderen Unterstützer fand.

Selbst Experten wie etwa der Netzphilosoph Peter Glaser schlossen sich dem Appell zunächst an. Doch wie einige andere zog er seine Unterschrift bald zurück. Begründung: Er habe eigentlich nur gegen Google protestieren wollen, die sich mit ihrem Books-Programm die Welttextmasse einverleiben wolle.

Doch der "Heidelberger Appell" zeigte, wie groß die Missverständnisse rund um "Open Access" sind: Die Bewegung für freie Veröffentlichungen ist nicht aus einem Zwang, sondern aus der Not vieler Wissenschaftler entstanden. Und aus den Chancen, die das Publizieren im Internet mitbringt.

Bevor es diese Möglichkeit gab, waren Wissenschaftsverlage das Nadelöhr, durch das sich Forscher zwängen mussten, wenn sie veröffentlichen wollten. Die Verlage kauften ihnen oft die Exklusivrechte für ihre Werke ab und vertrieben sie dann in Fachmagazinen und Büchern. Nicht einmal auf der eigenen Homepage dürfen die Wissenschaftler diese Texte dann noch publizieren. Und die Verlage verlangten seit Mitte der 90er immer höhere Preise für ihre Titel - sodass Bibliotheken ihre Abos aus Geldgründen reihenweise kündigten.

Anders als Belletristikautoren sahen und sehen die Verfasser der Wissenschaftsartikel meist keine Honorare oder Vorschusszahlungen, sondern zahlen für die Veröffentlichung noch drauf. Oder willigen ein, Artikel anderer Kollegen zu begutachten - gemäß dem sogenannten Peer-Review-Prinzip.

Kurz: Vorwürfe, dass Autoren über digitale Vertriebswege ausgehungert werden, mag man in Bezug auf Google Books diskutieren können. Bei den Wissenschaftspublikationen sind es jedoch allein die Verlage, die an den Veröffentlichungen verdienen - und dieses Geschäftsmodell naturgemäß bewahren wollen. Dabei sind Wissenschaftsveröffentlichungen bereits heute doppelt staatlich subventioniert: einmal weil eine öffentlich finanzierte Bibliothek sie einkauft, und außerdem weil die Inhalte dieser Werke von Wissenschaftlern erarbeitet wurden, die meist an staatlich voll- oder zumindest teilfinanzierten Instituten angestellt sind.

Kein Wunder also, dass Überlegungen aufkamen, wissenschaftliche Veröffentlichungen möglichst frei zugänglich zu machen. Was bereits 1991 damit begann, dass der Physiker Paul Ginsparg am Los Alamos National Laboratory einen Server einrichtete, um unveröffentlichte Papers publik zu machen, gipfelte 2003 in der "Berliner Erklärung", in der sich zahlreiche namhafte Wissenschaftler aus aller Welt für den offenen Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen einsetzten.

Seitdem basteln Wissenschaftler und Verlage weltweit an Open-Access-Modellen. Beim "grünen Weg" geht es darum, bereits gedruckte Inhalte digital frei zur Verfügung zu stellen, auf der Homepage des Forschers, der seines Instituts oder einem staatlichen Portal. Ökonomisch komplizierter ist der "goldene Weg", bei dem unveröffentlichte Werke kostenlos und unter Einhaltung hoher Qualitätsstandards publiziert werden, etwa in Form von Open-Access-Zeitschriften.

Laut dem "Directory of Open Access Journals" gibt es weltweit bereits mehr als 4.400 solcher Titel, die mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen operieren. In einigen Fällen zahlen weiterhin die Autoren für die Veröffentlichung ihrer Werke. Anderswo decken Förderorganisationen oder Unifonds die Kosten für die Publikation. Oder Forschungseinrichtungen und Bibliotheken zahlen Mitgliedsbeiträge.

Der Wissenschaftsverlag Springer bietet Autoren sein "Open Choice"-Modell an: Wer dort ganz konventionell seine Arbeit publiziert, kann 3.000 US-Dollar drauflegen und behält damit einen Teil des Copyrights seines Werks: Online sind seine Texte entgeltfrei zugänglich. Andere Verlage, darunter Oxford University Press, verfahren ähnlich.

Fast alle großen deutschen Wissenschaftsorganisationen, darunter die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Fraunhofer-Gesellschaft und die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), unterstützen die Open-Access-Bewegungen, indem sie ihre Forscher dazu verdonnern, ihre Werke auch auf den Institutsseiten frei zugänglich zu machen, oder aber indem sie sie dazu ermuntern, in Open-Access-Zeitschriften zu veröffentlichen.

Doch nicht in allen wissenschaftlichen Disziplinen läuft die Einführung von Open Access ähnlich geschmeidig: Während in Informatik und Naturwissenschaften schon viel frei im Netz publiziert wird, tun sich Geistes- und Sozialwissenschaftler damit schwer.

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