Missbrauch an Jesuiten-Schulen: Pater bestreitet Vorwürfe

Im Skandal um den katholischen Jesuiten-Orden meldet sich nun einer der mutmaßlichen Täter zu Wort. Den Missbrauch gibt der ehemalige Pater zu. Sexuelle Übergriffe bestreitet er.

1991 gestand Pater S. der Kirchenleitung seine Taten gegen "Zusicherung der Diskretion". Bild: dpa

BERLIN taz | Fast zwei Wochen lang war er für die Medien nicht ansprechbar. Nun meldet er sich zu Wort: Wolfgang S., einer der beiden mutmaßlichen Täter beim Skandal um Missbrauch an Jugendliche am Berliner Jesuiten-Kolleg Canisius, hat sich aus Chile mit einer Erklärung an die taz gewandt. Darin gibt er zu, Kinder mit Schlägen misshandelt zu haben. Sexuelle Übergriffe aber bestreitet er.

"Es ist richtig, dass ich in den Jahren meiner Lehrtätigkeit Minderjährige, die mir anvertraut und in gewissem Sinne abhängig von mir waren, unter Missbrauch meiner pädagogischen und kirchlichen Autoritätsstellung teilweise mit beträchtlicher Härte durch Schläge misshandelt habe", schreibt er. Allerdings habe er "zu keiner Zeit und an keinem Ort mit Minderjährigen Sexualkontakt im Sinne von Genitalberührung, Penetration, Vergewaltigung, Exhibitionismus oder Voyeurismus gehabt". Zudem beteuert er, dass er "weder homosexuell noch pädophil veranlagt" sei.

Dem damaligen Pater Wolfgang S. wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Lehrer für Deutsch, Religion und Sport zwischen 1975 und 1979 Jugendliche misshandelt zu haben. Mehrere Betroffene hatten sich beim jetzigen Rektor des Canisius-Kollegs, Pater Klaus Mertes, gewandt, der mit diesen Informationen vor knapp zwei Wochen an die Öffentlichkeit gegangen war. An den beiden Jesuiten-Schulen in Hamburg und St. Blasien im Schwarzwald, wo S. zwischen 1979 bis 1984 tätig war, hat es angebliche ebenfalls Übergriffe gegeben. Auch in Chile, wo er ab 1985 weilte, soll er sich des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht haben.

Nun stellt sich die Frage: War es Missbrauch im Sinne von brutaler Schläge, die einer zu der Zeit durchaus noch verbreiteten verqueren Pädagogik entspringen? Oder war es sexueller Missbrauch? In einem Brief an die Betroffenen vom 20. Januar hatte S. selbst zugegeben, dass er Missbrauch begangen habe. Nun schreibt er, dass verschiedene Medien "teilweise Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, in einen neuen Kontext gestellt oder teilweise schlicht gefälscht" hätten. Eine Reihe von Meldungen würden nachweislich einer illegalen Ausspähung vertraulicher E-Mail-Korrespondenz entstammen und seien Medien "in Form von manipulierten Textauszügen" übermittelt worden. Das Ergebnis dieser Art von Berichterstattung habe in der Öffentlichkeit Fehlinterpretationen provoziert", beschwert sich S.

Thomas Busch, Sprecher der deutschen Jesuitenprovinz sagte, dass es bei Wolfgang S. - zumindest nach derzeitigem Kenntnisstand - tatsächlich keine Hinweise auf sexuelle Übergriffe gebe. Und auch der Ordensleiter der deutschen Jesuiten, Stefan Dartmann, sprach davon, dass S. 1992 in einem Fragebogen zur Rückversetzung in den Laienstand Übergriffe gestanden hat. Diese hätten in einem "exzessiven körperlichen Bestrafungsritual" bestanden, nicht aber in sexuellem Missbrauch. Zu dem aktuellen Schreiben von S. will sich die Ordensspitze nicht äußern, um den Ergebnissen der Missbrauchsbeauftragten des Ordens, Ursula Raue, nicht vorauszugreifen. Die Ansprechpartnerin für die Opfer der Übergriffe im Canisius-Kolleg, die Anrufe und E-Mails von ehemaligen Schülern des Jesuiten-Gymnasiums sammelt und auswertet, geht inzwischen von 30 Opfern aus. Und längst gebe es nicht nur Verdachtsfälle an Jesuiten-Schulen. Es hätten sich auch Personen mit Berichten über Missbrauch in anderen Institutionen der katholischen Kirche gemeldet. Raue will voraussichtlich kommende Woche ihre Ergebnisse bekannt geben.

In dem Schreiben beteuert Wolfgang S., auch von den Vorwürfen gegen seinen im gleichen Zusammenhang immer wieder genannten damaligen Mitbruder Peter R. nichts gewusst zu haben. Er kenne diesen früheren Kollegen zwar. Von ihm "etwa begangene Verfehlungegen gegen Minderjährige" sei S. aber weder früher noch heute etwas bekannt. Zugleich nutzte S. die Erklärung auch, um aus seiner Sicht ein weiteres Missverständnis aus der Welt zu schaffen. Einem Presseorgan hatte er mitgeteilt, dass er inzwischen mit sich "im Reinen" sei. Dies treffe auf sein "schon Jahrzehnten andauerndes fehlerfreies Verhalten" gegenüber Minderjährigen zu und den Betroffenen, mit denen er sich aussprechen konnte. Bezüglich der anderen, mit denen bislang keine Aussprache stattgefunden hat, könne davon "selbstverständlich" nicht die Rede sein. Er wolle sich der Auseinandersetzung stellen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.