Konservative umwerben NGOs: Die CSU will cool werden

Auf ihrer Suche nach neuen Wählern gehen die Christsozialen neue Wege. Nun knüpfen sie sogar Kontakte zur einst verhassten NGO Attac und zum Chaos Computer Club.

Neuerdings stolz darauf, von Attac zu klauen: CSU. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | So etwas hat der Freistaat noch nicht gesehen: Ein CSU-Bezirksfürst umgarnt Attac und den Chaos Computer Club und lobt begeistert deren Inhalte. Der CCC habe eine herausragende Kompetenz. Die aktuelle Forderung nach einem Datenbrief, der Bürger über ihre gespeicherten persönlichen Daten informieren soll, sei "ein sehr interessanter Vorschlag", sagt Manfred Weber, der Niederbayern-Chef der CSU, der taz. "Mit der Forderung nach einer internationalen Börsenumsatzsteuer hat die CSU eine Position von Attac übernommen", sagt Weber stolz. Er leitet die neue Zukunftskommission der CSU. Sein Ziel: neue Ideen finden und auf Gruppen zugehen, mit denen die CSU bislang nichts zu tun haben wollte. "Wir wollen den neuen Entwicklungen nachspüren, die es in der Gesellschaft gibt", sagt Weber.

Bislang hatte das die CSU kaum nötig. Wie keine zweite Partei trug sie laut und stolz ihre Überzeugungen nach außen. Am lautesten jedes Jahr beim Politischen Aschermittwoch in Passau. Dort trifft sich am heutigen Mittwoch tief verunsicherte Partei. Die Umfrageergebnisse sind schlecht wie nie, Partei und Bürger haben sich entfremdet.

Nun versucht die CSU mit aller Kraft gegenzusteuern. Seit wenigen Wochen läuft ein beispielloser Selbstfindungsprozess in allen Parteiebenen. Generalsekretär Alexander Dobrindt arbeitet an einem "Leitbild 2010 Plus" und will die Parteistrukturen offener für die Basis machen. Die Landtagsfraktion sucht den Dialog mit den bayerischen Bürgern. Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer lässt seine Regierung ein Zukunftsprogramm erarbeiten. Titel: "Familie, Bildung, Innovation", kurz "FBI". Für den kühnsten Teil der Parteierneuerung ist Niederbayern-Chef Manfred Weber zuständig. Seine Zukunftskommission, Weber nennt sie "Think Tank für die CSU", trifft sich erstmals am kommenden Wochenende.

Als Weber Anfang des Jahres verkündete, er werde auch mit Gruppen wie Attac oder dem Chaos Computer Club den Dialog suchen, spotteten Parteikollegen. "Mit einem Chaos-Club rede ich nicht. Ich rede mit Bürgern", ätzte Landtags-Fraktionschef Georg Schmid. Es gebe viele neue politische Bewegungen, sagt dagegen Weber. "An all diesen modernen Strömungen müssen wir als CSU dran sein."

In den vergangenen Wochen gab es erste Gespräche. "Die Rückmeldungen waren sehr positiv", sagt Weber. "Es ist für uns enorm spannend." Der CCC sei gar selbst auf ihn zugekommen, erzählt Weber. Man habe in ersten Gesprächen große inhaltliche Überschneidungen, etwa beim Datenschutz, gefunden. "Beim Thema Netzsperren werden wir dagegen nicht einig werden", gibt Weber zu.

In der CSU schwelt derzeit ein Richtungsstreit. Der Chef der Oberpfälzer Jungen Union, Alexander Fischer, fürchtet gar: "Wir sehen, dass es einen gewissen sozialistischen Geist in der CSU gibt", sagt Fischer. Horst Seehofer ließ die Vorwürfe umgehend zurückweisen. Manfred Weber betont entschieden, mit der Zukunftskommission werde sich nichts an der konservativen Ausrichtung der CSU ändern. "Wir wollen nicht beliebig modernisieren, sondern moderne Ideen und traditionelle Werte in Einklang bringen." Dafür will sich Weber viel Zeit lassen. Die Zukunftskommission solle die nächsten dreieinhalb Jahre arbeiten.

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