Wirtschaft: Klimaschutz, der sich auszahlt

Im Süden Berlins will ein Gewerbegebiet klimafreundlich werden. Aus eigenem Antrieb und gemeinschaftlich will man Emissionen senken und Energie sparen.

Das Ziel ist hochgesteckt: "Null Emission Motzener Straße" - kurz: Nemo - überschreiben Unternehmer des gleichnamigen Gewerbegebiets im Berliner Süden ein Projekt, mit dem sie gemeinschaftlich zum Klimaschutz beitragen wollen. Dahinter stecken weniger umweltpolitische denn ökonomische Gründe: Wer Energie spart und zum Teil selbst produziert, arbeitet wirtschaftlicher, argumentiert der Vorstand des Unternehmensnetzwerks Motzener Straße, Ulrich Misgeld. "Dazu brauchen wir keinen Druck von oben." Wissenschaftler von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) begleiten das Projekt und dokumentieren, ob tatsächlich Erfolge erzielt werden. Am Donnerstagabend soll im Beisein der Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Renate Künast, der offizielle Startschuss für Nemo fallen.

Neu sei der Gedanke der Zusammenarbeit, sagt Hans-Hertwig Atzorn, Vizepräsident für Forschung an der HTW. Bisher hätten Unternehmen eher einzeln Initiativen gezündet - Solarzellen auf dem Dach, die zur Stromversorgung beitragen, sind längst nichts Außergewöhnliches mehr. Nun geht es laut Atzorn um Einspareffekte. "Wir wollen wissen: Was entsteht da an Synergien, besonders wenn es um Stoffströme geht." Bei manchen Unternehmen falle etwa bei der Produktion Wärme ab, die ungenutzt verpufft. Eine andere Firma könne genau diese Wärme für ihre Prozesse brauchen. Ähnlich könne es bei Wasser sein und anderen Stoffen: Für den einen sind sie Abfall, für den anderen wertvolles Material. Energie wollen die Firmen auch sparen, indem sie Beleuchtungssysteme optimieren, Fassaden dämmen oder regelbare Motoren verwenden.

Misgeld möchte zudem die Expertise seines Unternehmens in das Netzwerk einbringen. Semperlux entwickelt Lichttechnik; am Firmensitz haben Fachkräfte ein System entwickelt, mit dem Sonnenlicht durch vielfaches Brechen in ein fensterloses Treppenhaus gelenkt wird; so kann der Raum teilweise ohne elektrisches Licht erhellt werden. Ginge es nach Misgeld, würde die Motzener Straße mit Solarlaternen von Semperlux beleuchtet; darüber allerdings entscheidet der Senat. Den Strom beziehen die Lichttechniker indes weiterhin von einem der großen herkömmlichen Anbieter. "Unser Engagement soll ja nicht eine Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit bedeuten", sagt Misgeld. Ökostrom ist der Firma offenbar zu teuer.

Der Vereinsvorstand bekennt auch, dass das Vorhaben - null Emission - in seiner Konsequenz kaum durchzusetzen ist. Der Weg soll das Ziel sein, und: Misgeld setzt auf Außenwirkung. Er wolle dazu beitragen, ein positives Bild von der Industrie zu zeichnen, sagt er.

An der Motzener Straße sitzen etwa 250 Firmen; knapp 50 davon sind im Verband organisiert. Wie viele sich letztlich an "Nemo" beteiligen, ist unklar. Atzorn und seine Kollegen von der HTW planen, mit einer Handvoll Firmen anzufangen. Sie hoffen auf den Schneeballeffekt: Stellen sich erste Erfolge ein, dächten weitere Unternehmen über ein Engagement nach. Das Programm soll laufend evaluiert werden. "Uns geht es nicht um den schönen Schein", betont Atzorn.

Der Kontakt zwischen Wirtschaft und Wissenschaft kam am runden Tisch der Senatsverwaltung für Wirtschaft zustande. Die Idee für Nemo selbst sei vom Unternehmensverband gekommen, sagt Atzorn. "Es ist gut, dass das die Wirtschaftsseite das gezündet hat - es zeigt deren Interesse."

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