Rossmann-Gründer über Spitzensteuer: "Die Reichen haben Angst"

Der Drogerie-Unternehmer fordert: Die Steuern auf Gewinne und hohe Einkommen müssen steigen. Er sagt auch, viele Wohlhabende würden das unterstützen.

„Die Regierung sollte besser für gute Stimmung sorgen“: Dirk Roßmann, 63. Bild: dpa

taz: Herr Roßmann, Sie kritisieren das Sparpaket der Bundesregierung als sozial unausgewogen. Warum?

Dirk Roßmann: Es mag übertrieben klingen: Aber man darf jetzt nicht die Schwächsten der Gesellschaft zur Kasse bitten. Das würde uns allen schaden. Jeder Cent, den ein Hartz-IV-Bezieher ausgibt, unterstützt die Binnennachfrage und hält die Wirtschaft in Gang. Umgekehrt fehlt jeder Cent, den man bei den Arbeitslosen kürzt, letztlich auch in den Kassen der Unternehmen.

Die Bundesregierung will 2011 rund drei Milliarden Euro allein beim Arbeitslosengeld sparen. Was schlagen Sie stattdessen vor?

Das ist Dirk Roßmann: 63, hat die Drogeriekette 1972 gegründet. Gerne erzählt er die Anekdote, dass man ihn als jungen Mann entgegen seiner juristischen Klage zur Bundeswehr eingezogen habe. Dort habe er die Befehle verweigert, bis man ihn vorübergehend in eine Nervenklinik schickte und später entließ. Roßmann ist nicht der einzige Reiche, der einen größeren finanziellen Beitrag der Elite einfordert. So hat sich der Hamburger Reeder Peter Krämer für eine höhere Steuer auf Vermögen eingesetzt. Ähnliches verlangt der Berliner Millionär Peter Vollmer mit seiner "Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe".

Das ist Rossmann: Nach Schlecker und dm ist Rossmann die drittgrößte Drogeriekette Deutschlands. Der Umsatz der Gruppe betrug 2010 rund 4,1 Milliarden (plus 7 Prozent), hierzulande 3,1 Milliarden. Der Gewinn vor Steuern in Deutschland erreichte rund 90 Millionen Euro. Rossmann mit Sitz in Großburgwedel bei Hannover betreibt 2.300 Geschäfte, davon 1.550 in Deutschland, die übrigen unter anderem in Polen, Ungarn, Albanien und der Türkei. Die Firma hat 29.000 Beschäftigte. 60 Prozent des Kapitals sind im Besitz der Familie Roßmann, 40 Prozent liegen beim Hongkonger Konzern Hutchinson Whampoa. (koch)

Ich plädiere nicht dafür, den Sozialetat auszuweiten. Aber den sozial Schwächeren noch etwas wegzunehmen, ist in der gegenwärtigen Lage eine sehr schlechte Idee. Besser sollte die Regierung für gute Stimmung sorgen. Denn das ist unser Problem: Es herrscht eine gedrückte Atmosphäre. 2009 kamen 30.000 Kinder weniger zur Welt als im Jahr zuvor. Das liegt auch an den Sorgen, die sich die Menschen machen.

Was genau sollte die Regierung denn tun?

Für reiche Privatpersonen und Unternehmen könnten die Steuersätze ruhig um drei Prozent steigen. Die Leute mit den höchsten Einkommen würden dann nicht 45, sondern 48 Prozent entrichten. Das wäre ein scharfer Schnitt und würde zu einem heftigen Aufschrei führen. Aber die Diskussion über den armen Staat, das Sparen und die Schulden muss endlich aufhören. Die lähmt uns doch.

Ihnen gehört eine der größten Einzelhandelsfirmen Deutschlands. Von anderen Unternehmern ist oft zu hören, dass der Staat ihnen schon heute zu viel Geld wegnehme. Warum sehen Sie das nicht so?

Weil es nicht stimmt. Früher waren die Steuern tatsächlich zu hoch, aber durch die Reformen unter Kanzler Gerhard Schröder ist die Belastung gesunken. Wir sind eine extrem starke Exportnation und produzieren auf Augenhöhe mit China. Deshalb könnte man den Unternehmen jetzt durchaus, vielleicht befristet für drei Jahre, eine rund drei Prozent höhere Körperschaftssteuer zumuten.

Sie sprechen mit anderen Unternehmern. Was sagen die zu Ihrer Idee, Wohlhabende stärker zu belasten?

Unter den Vermögenden geht eine Angst davor um, dass uns unser System um die Ohren fliegt. Kalifornien beispielsweise, ein Staat mit 37 Millionen Einwohnern, kann schon heute oft seine Handwerkerrechnungen nicht mehr bezahlen und bietet stattdessen Schuldscheine an. Dass Deutschland in diesem Jahr knapp 20 Prozent seines Bundeshaushaltes mit Krediten finanzieren muss, sehen viele Menschen als Problem. Sie betrachten so etwas als Krisensymptom.

Sie und Ihre Gesprächspartner sind also nicht in erster Linie beunruhigt über die zunehmende soziale Spaltung der Gesellschaft, sondern über die schlechte Lage der öffentlichen Finanzen?

Natürlich geht es auch um soziale Gerechtigkeit. Niemand will, dass breite Schichten immer ärmer werden. Aber das ist nicht der zentrale Punkt. Den sehe ich in der Überforderung des Staates und ihrer möglichen Folgen. Denn was kann dabei herauskommen? Zum Beispiel auch eine hohe Inflation, die unseren Wohlstand möglicherweise schnell dezimiert.

Die Gesellschaft driftet auseinander - nicht nur durch das Sparpaket der Regierung. Verantwortlich dafür sind auch die Unternehmen, die die Löhne der Beschäftigten im vergangenen Jahrzehnt kaum erhöht haben. Wie sieht es bei Rossmann aus, warum haben Sie keinen Tarifvertrag?

Ich war noch nie Mitglied in einem Verband oder einer Partei. Das passt nicht zu mir. Trotzdem zahlen wir natürlich Löhne, die dem Tarifvertrag entsprechen oder darüber liegen. Das ist uns sehr wichtig. Respekt und Achtsamkeit gegenüber jedem Mitarbeiter - ganz gleich, wo er in der Hierarchie steht und welchen persönlichen Hintergrund er hat - sind bei Rossmann selbstverständlich. Nur Mitarbeiter, die morgens gerne zur Arbeit kommen, sind wirklich engagiert, und dies spüren auch die Kunden.

Einerseits sagt die Gewerkschaft Ver.di, Sie seien ein "sozialer Kapitalist". Andererseits praktizieren auch Sie die Niedrigpreisstrategie. Drücken niedrige Verkaufspreise nicht auf die Löhne?

Nein. Die großen Markenhersteller verkaufen die Dose Hautcreme beispielsweise für fünf Euro. Bei uns dagegen kostet ein ähnliches Produkt mit derselben Qualität 1,99 Euro. Warum? Weil wir bei unseren Eigenmarken viel weniger Geld für Image, Marketing und Werbung ausgeben als die Markenhersteller.

Sie behaupten von sich, Sie seien mit einer niedrigen Rendite durchaus zufrieden. Was ist der Grund?

Wir haben im vergangenen Jahr gut drei Prozent vom Umsatz vor Steuern verdient. Das ist genug, um solide wirtschaften zu können. Markenartikelhersteller verdienen oft zehn Prozent und mehr.

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