Öffentlicher Raum: Mit Wasser gegen Punks

Mit einer Berieselungsanlage wollte ein Immobilienbesitzer Punks und Obdachlose vor dem H&M-Geschäft in Osnabrück vertreiben. Auf Druck der Stadt musste er die Anlage nun ausschalten - widerwillig.

Als die Anlage noch lief: Ein Punk bedient sich. Bild: dpa

Thomas hat sich nicht vertreiben lassen. "Ich habe mich einfach da vorn hingesetzt", sagt er und zeigt auf eine Stelle ein paar Pflastersteine weiter, nur fünf oder sechs Schritte von ihm entfernt. Jetzt sitzt der Punk wieder unter dem Vordach von H&M und lehnt sich am Schaufenster an. Der Boden ist wieder trocken. Tagelang war das anders. Da floss aus einem dünnen Metallrohr am Boden des Schaufensters Wasser.

Installiert hatte die Berieselungsanlage die T.E.B. Grundstücksgesellschaft, der das Gebäude gehört. Offiziell sollte das Wasser den angeblich besonders verschmutzten Boden sauber halten. In Wirklichkeit sollte es aber wohl eher dafür sorgen, unliebsame Gäste loszuwerden. "Ich bin jeden Tag außer sonntags hier", sagt Thomas. Er hat keinen festen Wohnsitz, auf dem Neumarkt vor H&M treffen er und seine Leute sich. Sie reden, trinken Bier, manchmal schnorrt einer von ihnen die Passanten an.

Einige Tage vorher, als die Berieselungsanlage noch lief, konnte man eine Punkerclique vor einem Supermarkt eine Straße weiter treffen. "Das ist ganz erbärmlich", kommentierte Punkerin Amelie die Maßnahme. Der Neumarkt sei für ihre Clique der beste Ort um sich zu treffen.

Dass sie im Straßenbild nicht erwünscht sind, müssen die Punks häufiger feststellen. "Pöbeleien gibt es oft", sagt Amelie, die ihre Haare pink trägt. Immer wieder komme es vor, dass Passanten sie ungefragt aufforderten, einen Job zu suchen. "Gucken die eigentlich keine Nachrichten?" Amelie hat eine Wohnung, aber das geht nicht allen ihren Freunden so. Kati etwa schläft jede Nacht bei irgendwelchen Freunden, Motz dort, "wo ich unterkomme".

Die Berieselungsanlage nehmen sie aber auch mit Humor. "Das soll wohl eher Sozialhygiene sein", spottet ein Punk über die Behauptung des Grundstücksbesitzers, es gehe um Sauberkeit. Thomas hat sich regelmäßig seine Trinkwasserflasche mit dem Wasser aufgefüllt, das aus den 33 Düsen kommt. Ein anderer aus seiner Gruppe überlegte sogar, ein Planschbecken aufzustellen.

Am Donnerstag hat Grundstückseigentümer Theodor Bergmann die Anlage außer Betrieb genommen. Er bestreitet vehement, dass er jemand vertreiben wollte. Vielmehr sei es vor dem Kleidungsgeschäft besonders schmutzig. "Regelmäßig musste dort Kotze und Pisse weggewischt werden", sagt er. Gegen Punks habe er nichts, sagt Bergmann. "Ich gehe jeden Tag an Menschen vorbei, die schlecht angezogen sind."

Dass der Immobilienbesitzer die Wasseranlage tatsächlich aus purer Reinlichkeit eingesetzt hat, darf jedoch bezweifelt werden. Denn vor etwa zwei Jahren hat seine T.E.B. Grundstücksgesellschaft GmbH am selben Ort schon einen hochfrequenten Störgeräuschsender angebracht, der einen schrillen Dauerton produziert. Hören können den vor allem junge Menschen. Auf Druck der Stadtverwaltung stellte die Gesellschaft das Gerät damals wieder aus - der Ton stellte sich als gesundheitsgefährdend heraus. Heute sagt Theodor Bergmann, er habe nur die unangeleinten Hunde der Punks vertreiben wollen.

Auch bei der Berieselungsanlage übte die Stadt wieder Druck auf den Immobilienbesitzer aus. Bereits am Dienstag hatte das Amt für Bürger und Ordnung angekündigt zu prüfen, ob das Betreiben einer solchen Anlage in der Fußgängerzone überhaupt rechtmäßig sei. Inzwischen hat es ein Gespräch zwischen der Stadt und Theodor Bergmann gegeben. "Wir haben ihm gesagt, dass wir die Anlage nicht dulden", sagt Amtsleiterin Karin Heinrich.

Theodor Bergmanns Gesellschaft kündigte nun in einer Pressemitteilung an, "dem extremen Reinigungsbedarf, der insbesondere von den sich vor dem Neumarkt-Carrée aufhaltenden Personen und Hunden verursacht wird, gerecht zu werden", indem er eine Reinigungsgesellschaft beauftragt. Und er ist enttäuscht. Nie wieder werde er ein Stück Papier vom Boden aufheben, sagt er. "Dann habe ich ja das Gefühl, dass das Diebstahl ist." Theodor Bergmann und der öffentliche Raum - das scheint ein besonderes Verhältnis zu sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.