Kommentar Google Streetview: Die Pixel-Politiker
Jetzt kündigen Politiker an, ihre Häuser verpixeln zu lassen. Verbesserungen für Datenschutzgesetze fassen sie hingegen nicht an. Die Pixel-Politiker handeln polemisch.
A ls vor etwa zwei Jahren das Nokia-Werk in Bochum geschlossen wurde, kündigten zahlreiche Politiker an, "ab jetzt kein Nokia-Handy mehr zu kaufen". Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner trieb die Boykott-Sau durchs Dorf und drohte Facebook mit der Löschung ihres Profils. Auch in der Causa Streetview machte Aigner einen auf Aktivistin und warb dafür, gegen Streetview Widerspruch einzulegen. Jetzt haben zahlreiche Politiker angekündigt, ihr Haus verpixeln zu lassen. Heroisch? Nein – polemisch.
Gewiss: Politiker als öffentliche Personen können mehr Druck machen als diejenigen, deren Bekanntheitsgrad geringer ist. Dennoch haben solche Aufrufe wie die der Pixel-Politiker einen schalen Beigeschmack. Denn Politiker sind für Gesetze zuständig.
Es ist ein Hohn, dass sich die Pixel-Politiker jetzt hinstellen und vorgeben, etwas für den Datenschutz zu tun. Denn Datenschutz darf nicht nur Privatsache sein. Es geht nicht an, dass sich die Informierten vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten schützen, die anderen aber den Datensammlern hilflos ausgeliefert sind. Es braucht endlich starke Datenschutzgesetze für alle – und da muss die Politik handeln.
Julia Seeliger ist Redakteurin bei taz online.
Immer noch fehlt es an Gesetzen, die die Datenschutzgrundsätze fürs Internetzeitalter fixieren. In diesen neuen Zeiten, in denen die Datenträger immer größer werden und die Internetleitungen immer schneller, in den Zeiten der unendlichen, verlustfreien Kopierbarkeit ist es möglich geworden, Datenmengen anzuhäufen, zu durchsuchen und immer wieder neu zu verknüpfen.
Wie soll in diesen Zeiten zum Beispiel der Datenschutzgrundsatz der Datenminimierung durchgesetzt werden? Wie verhindert man die Verknüpfung von Datensätzen ("Profiling")? Auf all diese Fragen haben die polemischen Berufspolitiker-Aktivisten keine Antwort.
Auch müssen sich die Pixel-Politiker fragen lassen, warum viele von ihnen gleichzeitig für krasse Überwachung durch den Staat sind, die gravierendere Auswirkungen hat, denn der Staat hat das Gewaltmonopol. Viele dieser Politiker lassen es zu, dass der Staat Zugriff auf private Datensammlungen erhält und diese für Ermittlungszwecke mit weiteren Daten verknüpft. Um Datenschutz kann es ihnen also nicht wirklich gehen.
Beim Datenschutz bleibt es bei – Polemik. Ministerin Aigner, die vermeintliche Jeanne d'Arc, Ritterin im Kampf gegen Facebook und Google, ist in der Tat für für den privaten Datenschutz zuständig. Doch sie bleibt in Deutschland untätig und lässt sich auch nicht in Brüssel beim EU-Ministerrat sehen, wo aktuell die Novelle der EU-Datenschutzrichtlinie diskutiert wird. Glaubhaft ist das längst nicht mehr.
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