piwik no script img

Hannes Jaenicke über Bürgerproteste"Die Politik macht die Leute wütend"

Das wiedererwachte zivile Engagement der Deutschen sollte sich auch im Kampf gegen den Klimawandel zeigen, findet Schauspieler und Dokumentarfilmer Hannes Jaenicke.

"Wir haben eine viel zu hohe Erwartung an die Politik": Schauspieler Hannes Jaenicke. Bild: dpa
Peter Unfried
Interview von Peter Unfried

taz: Herr Jaenicke, in Ihrem neuen Buch verlangen Sie, dass "wir" angesichts der Klimawandels die Erde vor "uns" schützen. Sollen wir uns umbringen?

Hannes Jaenicke: Nein. Aber wir erwarten ja alle, dass Papa Staat was tut oder die Industrie, und das passiert nicht. Wenn die Politik nicht will oder darf oder kann, müssen wir halt unser Gesäß hochkriegen.

Es sei "beschämend", was wir bisher tun, wir seien die "Verursacher eines Massensterbens". Stimmt. Bloß: Ist das die richtige Ansprache, um Menschen zu erreichen?

Mir geht es um den Informationsmangel, unter dem wir alle leiden. Was unser Konsumverhalten an Folgeschäden produziert, wird uns ja weitgehend und absichtlich verschwiegen. Das Buch soll Zusammenhänge zeigen, wie etwa zwischen Coltan in unseren Handys, dem Bürgerkrieg im Kongo und dem Aussterben des Gorillas.

Wie viele Stuttgart-21-Gegner haben Sie den Glauben an die Politik verloren. Man dürfe Probleme nicht "denen da oben" überlassen. Was heißt das?

Das heißt zunächst: Die da oben sind Menschen wie du und ich. Wir haben eine viel zu hohe Erwartung an die Politik. Ghandi hat gesagt: „Be the change you want to see“ - sei Du die Veränderung, die Du sehen möchtest. Stuttgart 21 ist ein fantastisches Beispiel. Die Leute wachen gerade auf und merken: Aha, man kann sich ja wehren gegen unzähligen Quatsch, der uns serviert wird.

Wenn der Glaube an die politische Klasse verloren geht und dabei der an die Institutionen, wird es gefährlich für die Demokratie.

Da mache ich mir, ehrlich gesagt, keine großen Sorgen. Wir leben derzeit unter einer Regierung, die drastisch an der Bevölkerung vorbeiregiert. Ob das die Hotellobby ist oder die Atomlobby: Ich glaube, es ist noch nie so schamlos Klientelpolitik betrieben worden wie derzeit. Das macht die Leute wütend. Und wenn sie mit dieser Wut in Stuttgart auf die Straße gehen und mit zivilem Ungehorsam die Baustelle stoppen: Das finde ich ermutigend.

Im Kampf gegen den Klimawandel glauben Sie an die "ungeheure Macht des Konsumenten". Wie weit reicht verantwortungsbewußter Konsum?

Wenn wir das geballt machen, wird die Industrie uns die Produkte anbieten, die wir wollen. In dem Moment, in dem die Leute die riesigen Geländewagen nicht mehr kaufen, wird die Autoindustrie sie nicht mehr bauen.

Was bringt individuelles oder nationalstaatliches Engagement ohne globales Klimaabkommen?

Ich kann nicht drauf warten, dass die Amerikaner und Chinesen was machen. Irgendeiner muss anfangen, und wir haben die technischen und finanziellen Mittel. Wenn man mit Herrn Röttgen oder Herrn Gabriel redet, sagen die auch gern, dass Alleingänge nicht funktionieren. Da frage ich: Warum machen die Deutschen dann als Einzige weltweit beim Tempolimit auf Autobahnen einen Alleingang - indem sie keines haben?

Trotz aller Politikskepsis ist Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) in Ihrem Buch sehr präsent. Erwarten Sie echte Klimapolitik von ihm?

Ich glaube, dass er das Richtige will. Er ist hochintelligent und ein expliziter Befürworter des Atomausstiegs. Er ist gläubiger Christ und will die Schöpfung schützen.

Das sagen Unionspolitiker gern.

Ich halte Röttgen wirklich für umweltbewußt. Es ist ein Jammer, dass er als Ressortchef für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit nicht so darf, wie er gerne möchte. Wie man bei der zwischen Regierung und Energie-Konzernen ausgedealten AKW-Laufzeitverlängerung gesehen hat, darf er praktisch gar nichts.

Das Buch: "Wut allein reicht nicht" - Gütersloher Verlagshaus, 22,95 EUR

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

14 Kommentare

 / 
  • K
    kennie

    Ich kann es gut nachvollziehen dass ein durch GEZ-Gelder gut abgesicherter Millionär nach einer langweiligen Karriere im zwangsfinanzierten Staatsfernsehn den Impuls verspürt, auch mal was sinnvolles zu tun. Wieso sich dieser Impuls stets auf die entferntesten und abstraktesten Probleme richtet verstehe ich aber nicht. Gibt es nicht genug Elend hier in Deutschland was man erstmal angehen könnte, bevor man sich um irgendwelche Viecher am anderen Ende der Welt Sorge macht? Wieso ist ein Westdeutscher am Schicksal von Haien, Eisbären und Affen mehr interessiert als an den Problemen im eigenen Land? Zielsicher richtet sich das Problembewusstsein der profilsüchtigen Gutmenschen-Promis auf die abstraktesten und entferntesten Probleme. Zur Not werden solche eben einfach erfunden - wie etwas das Artensterben. Als ob es nicht ein völlig normaler und natürlicher Prozess wäre, dass Arten sterben, und dieser ganz wesentlich zur Evolution dazugehören würde. Vielleicht ist unseren Promis zwischen Golfplatz, Hummer und Trüffelpastete das Bewusstsein dafür verloren gegangen, dass es tatsächlich auch vor ihrer eigenen Haustür genug Elend gibt was man angehen könnte. Dazu muss man nicht erst in den Amazons reisen.

  • R
    Ron

    Mir wird schlecht dass ein Multimillionär wie Jaenicke von Verzicht redet. Und so richtig übel wird mir, wenn er auch noch in etliche Talkshow diesen Müll von sich gibt. Dazu noch das klatschen der Leute die denken, "endlich mal einer der sagt wie es ist“. Dummheit kann man Ihm nicht vorwerfen, Jaenicke versteht das System zu nutzen um seine Millionen zu mehren.

  • M
    matt1245

    Der Jännicke hackt auf der Politik herum, um die Bevölkerung davon abzulenken, dass sie von den Promis abgezockt wird. Ich möchte nicht wissen, wie viele Millionen sich Jännicke schon an GEZ-Gebühren in die eigenen Taschen gestopft hat für seine schwachen schauspielerischen Leistungen im deutschen Dumm-TV.

  • AS
    autofreie Schnecke

    Da haben wir's ja:

     

    Wenns ums AUTO geht ist es ganz schnell Schluß mit Klimapolitik. Oben wie unten. Idiotisch und ekelhaft.

  • IN
    irgendwie nich

    und wieder ein "verzicht rettet die menschheit" apostel. und warum glauben viele leute machtstrukturen verlaufen linear von oben nach unten?!

     

    der ansprache von schauspielern mit dicker kohle hab ich sowieso schon immer misstraut... ob sich eine breite von menschen überhaupt den luxus leisten kann zu verzichten, würde ich auch mal gern von der liga der bürgerlichen mitte, wie jaenicke hören.

     

    eine lediglich verkürzte kapitalismuskritik von denen die vom system doch bisher mehr als gut gelebt haben. hoffentlich kommt der tag mit verzichtsdiktat mal auf die generation mac-laptop und mercedeslimo die alles beim bauern um die ecke kaufen will. der tag an dem ihr gutmenschengetue wahr würde, wäre für die schon immer im verzicht leben mussten einfach sensationell!

  • G
    Gester

    Noch ein neunmal kluger, der mir die Welt erklären möchte. Danke.

  • DP
    Detlef Piepke

    Es nervt kolossal, dass jeder, der glaubt, etwas gutes für unseren Planeten und seinen Bewohner zu wollen und zu tun, sich an dieses, zum Label degradierten Wort, "Klimawandel" hängt.

    Der Skandal ist nicht in erster Linie der Klimawandel, sondern der unfassbar dreiste Diebstahl an Lebensraum unserer Mitlebewesen!

    Wer sich nur ein bisschen mit der Geschichte unseres Planeten auskennt und diese auch versteht, wird sich vor diesem verhältnismäßig winzigen "Klimawandel" nicht fürchten können. Es hat hier erst vor (erdgeschichtlich) kurzer Zeit eine Eiszeit gegeben, gegenüber der dieser aktuelle "Klimawandel" ein winziges Fürzchen ist.

    Ich weiß nicht, ob Herr Jaenicke das Label "Klimawandel" als reine Promotion benutzt, ich jedenfalls bin empört darüber, wie schamlos die Menschheit sich ein Recht herausnimmt, ganze Arten von diesem Planeten zu verdrängen.

    Und dann zu argumentieren, Herr Röttgen sei "Christ" und von daher daran interessiert, die "Schöpfung zu wahren", ist ja wirklich die Höhe. Als wenn sich Christen je um die Rechte von Tieren gekümmert hätten ...

    Aber das ihr solche dummen Kommentare einfach unhinterfragt stehen lasst ... Das ist nun wirklich kein Beitrag zur Aufklärung!

     

    Detlef Piepke

  • K
    Kawa

    Es besteht ein Zusammenhang zwischen jeder Autofahrt, um unsere Kinder herumzukarren und der Explosion von Bohrinseln. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Hähnchenbrust auf unseren Tellern und Flüchtlingen im Mittelmeer. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Tasse Kaffee hier und dem Drogenkrieg in Mexiko. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem neuen Handy und Kriegen in Afrika.

     

    Leider interessiert das aber hier 90% der Bevölkerung nicht, insofern werden wir doch genau von den richtigen Politikern regiert. Die o.g. Tatsachen werden verschwiegen, kleingeredet oder verdreht. Werbung, Boulevard und Unterschichten-TV sorgen für die notwendige Ablenkung.

     

    Was bleibt sind Hilflosigkeit und Wut.

  • L
    Lothar

    Schuster bleib bei deinem Leisten !

  • D
    Defmob

    Leutle, das Problem liegt doch woanders. Coltan in Handys, tote Gorillas, AKW-Laufzeitverlängerung, Stuttgart 21 und dazwischen Müll runterbringen, Scheiss-Medienjobs machen und dabei irgendwie gut aussehen und auf dem Laufenden sein. Es gibt 1.000.000 Themen auf der Welt, die alle mit Problemen behaftet sind - wo soll sich einer da noch Grenzen setzen? Jeden Tag melden sich zig Schlauberger und Mahner, die die Musse haben auf irgendetwas hinzuweisen, am besten noch über abstrakte Wortdefinitionen und Ausdruckspolizeiverordnungen. Es ist ja nicht so, dass man nicht selber auch noch Probleme hätte, für die man seine eigene Kraft braucht. Ich selber jedenfalls will nicht dauernd belehrt werden, sei es von Jehovas Zeugen, Gender-Aktivisten oder meinem McAffee Virus-Zeugenschutzprogramm.

  • J
    JZV

    Aber besser nicht mehr deutsche "Klimakaempfer" und "Umweltschutztruppen" nach Lateinamerika: Die haben jetzt schon die Nase voll und moechten die "Uebergruenen" deportieren!

  • G
    GGG

    Warum sollte ich gegen mich selbst demonstrieren? Was die Politik an Maßnahmen zum Klimaschutz vorschlägt, besteht aus Verboten und Planwirtschaft. Es wird uns vorgeschrieben, wie wir zu leben haben. Ich lasse mir das nicht vorschreiben. Alle mit Elektrorollern und in Watte gepackte Plattenbauten - so will ich nicht leben.

     

    Und jede Partei bedient doch ihre eigenen Lobbies. Fast ganz Europa hat niedrige Mehrwertsteuern für Hotels - da hat sich Deutschland nur angepasst. Aber die Baulobby scharrt schon mit den Füßen angesichts der Zwangsdämmungen. wir dafür auf die Straße gehen, dass wir alle demnächst für unser Haus oder unsere Wohnung mehr bezahlen sollen?

     

    Und was war mit von der SPD begeistert mitgetragenen Abwrackprämie? 5 Milliarden Euro in die Schrottpresse! War das kein Geschenk an Auto-Magnaten? Und dann standen sie da, massenweise grün-plakettierte gut erhaltene Autos für die Schrottpresse, während sich viele keinen Neuwagen leisten können und jetzt noch nicht mal in die Innenstadt dürfen.

     

    So eine Politik muss bekämpft werden, niht gefordert!

  • O
    Otto

    Hannes Jaenicke macht auch "Dokumentationen" im Stile vom Galileo Mystery. Nur mal so nebenbei.

  • G
    gegenspiegel

    Inwieweit CO2 an der Klimaveränderung beteiligt ist, muss erst noch bewiesen werden. Und zwar von Forschern ohne links-grüne Ideologie im Kopf.