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Alternative Rallye Budapest-BamakoMit allen Mitteln

Bei der Low-Budget-Rallye Budapest-Bamako wurden möglicherweise zwei Kinder getötet. Die Organisatoren feiern dennoch das "bislang erfolgreichste Rennen".

Alternativ bis zum Autolack? Start der Rally in Budapest. Bild: dpa

KAYES/MALI taz | Wüsten-Abenteuer, Teamgeist und „soziale Verantwortung“ – als alternatives Motorsport-Ereignis für jedermann lockt die Rallye Budapest-Bamako seit Jahren hunderte Amateurfahrer aus ganz Europa in die afrikanische Wüste. Doch bei dem am Sonntagabend zu Ende gegangenen Cross-Rennen gab es möglicherweise einen Unfall, bei dem zwei senegalesische Kinder getötet wurden. Das zumindest berichten mehrere Teilnehmer des Rennens. Die Veranstalter weisen dies zurück.

"Wir haben von so einem Vorfall keine Kenntnis," sagt der Organisator Andrew Szabo gegenüber der taz. "Das hätten uns die Behörden sicher gemeldet. Wir stehen in engem Kontakt mit ihnen." Szabo glaubt an ein Missverständnis. In einer Pressemitteilung spricht er von der „bislang erfolgreichsten Rallye“. Sie sei mit einem "spektakulären Finish“ mit „afrikanischen Tänzern und Trommlern und internationalen TV-Teams“ in der malischen Hauptstadt Bamako zu Ende gegangen.

Die rund 150 Teams aus 35 Ländern waren am 15. Januar in Ungarn gestartet und über Marokko 8.540 Kilometer bis nach Westafrika gefahren. Ein deutsches Filmteam einer Flüchtlingskarawane zum Weltsozialforum in Dakar, hatte am Samstag zunächst rein zufällig eine Gruppe von ungarischen Fahrern in der westmalischen Stadt Djenna interviewt.

Dabei berichteten diese von sich aus, dass bei einem Unfall in einem senegalesischen Dorf „ein oder zwei Kinder“ von Teilnehmern der Rallye getötet wurden. „Wir sind daran vorbeigefahren und haben es gesehen. Die Menge hat dann Steine geworfen, dann sind wir weg.“ Wenn man in Afrika „einen Hund oder ein Huhn überfährt,“ dann müsse man „einfach weg“, heißt es in der Aufnahme weiter. Die „einfachen Afrikaner“ würden sonst „Schwierigkeiten machen und dann kommt man da nicht wieder raus.“

Entstanden ist diese Haltung möglicherweise durch die Rennleitung selbst. Denn auf deren Homepage werden die Fahrer ausdrücklich davor gewarnt, dass sie in Afrika mit "lynchen durch Einheimische, wenn sie ein Mensch oder Tier überfahren" rechnen müssen – ebenso wie mit "gefährlich fahrenden Afrikanern". Das Risiko „gefährlich fahrender Rennteilnehmer“ findet sich in der Warnliste erst ganz am Schluss.

Am Montag befragte das Filmteam erneut Teilnehmer des Rennens auf dem Parkplatz eines Luxushotels in Bamako. Ein Mitarbeiter des Rennens, dessen Funktion unklar ist, bestätigte dabei, dass es einen Unfall gab. „Es ist wahr, es gab zwei Kinder, die gestorben sind. In den Dörfer fahren die Autos sehr schnell, die Dorfbewohner sind das nicht gewohnt.“ Die Familien werden eine Entschädigung erhalten. Die Rallye präsentiert sich selbst als die sympathische Gegenveranstaltung zum durchkommerzialisierten Paris-Dakar-Rennen und verweist auf ihre wohltätigen Aktivitäten.

„Ziemlich holprig organisiert" heißt es hingegen bei Motorsport-Experten. Während die Teilnahme an der Paris-Dakar-Rally nicht unter 9.500 Euro zu haben ist, ist man beim Budapest-Bamako Rennen schon ab 300 Euro pro Teilnehmer dabei. „Das ist unmöglich, für den Preis kann man keine Sicherheit gewährleisten", sagt etwa der Kölner Journalist Jörg Sand, ein Spezialist für Cross-Rennen. Normalerweise seien bei solchen Rennen Ärzte, Rettungsteams, bisweilen gar Hubschrauber dabei. Sand wisse jedoch, dass es beim Budapest-Bamako-Rennen in der Vergangenheit keinerlei medizinische Begleitung gegeben hatte.

Die Veranstalter werben mit diesem Mangel. „Wir sind kein Sonntagsausflug und kein Picknick im Park“, heißt es, es gebe „keine Übersetzer, Rechtsanwälte oder Guides“. Die Rally biete nur „minimale Hilfen“, die Teilnehmer müssten sich daher auf sich und auf ihr „eigenes Glück und Können“ verlassen. „Gewiss ist nur die Ungewissheit. Das ist Abenteuer“. Das Motto des seit 2005 abgehaltenen Rennens lautet: „Jeder. Mit allem. Mit allen Mitteln.“

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7 Kommentare

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  • GS
    Gordon Shumway

    Wir sind dieses Jahr bei der BB mitgefahren. Es ist eine Lowbudget-Rally, ja. Aber es gibt 3 Medical-Teams, die immer erst am Schluss in den Etappen-Zielen ankommen. Ich habe mit allen gesprochen und es ist immer mindestens 1 Arzt pro Team und 1-2 Sanitäter dabei. Weiter gibt es noch die Referee-Teams, die immer mit Hilfe zur Seite stehen. Es gibt Notfall-Nummern die per Telefon immer erreichbar sind und weiter hat jeder Teilnehmer CB-Funk an Board. In der Regel fahren nur die Teilnehmer der Racing-Categoriy allein. In der Touring-Category bilden sich nach kurzer Zeit Convoys in denen jeder jedem hilft und alles geteilt wird.

    Wie bei jeder Ansammlung von vielen Menschen gibt es auch bei der BB immer ein paar wenige Idioten.

    Ein Großteil der Teilnehmer hat je nach Platzbedarf Geschenke und Hilfsgüter dabei. Das waren z. B. Fußbälle, Medikamente, Spielsachen für Kinder etc. Wir haben am auf dem Weg unser ganzes Equipement verschenkt, Zelte, Kocher, Lebensmittel, Arznei, Kanister... alles in allem für rund 1000 EUR. Einige Teilnehmer übergaben Ihre Autos an Kinderheime, Schulen und Krankenhäuser.

    Wir hatten Spass und nicht den Eindruck, dass die Einheimischen uns nicht mögen. Viele Länder sind auf solche Rallies angewiesen um überhaupt funktionierende Fahrzeuge ins Land zu bekommen. Auch das hilft der Infrastruktur.

    Autos die bei uns verschrottet werden, laufen dort noch 20 Jahre. Sicher belastet das die Weltweite Umwelt aber soll ich dort ein Auto hinbringen mit geregeltem Kat? Das ist das erste was dort demontiert wird, für neue Ersatzteile fehlt das Geld. Umweltschutz muss man sich erst mal leisten können.

  • W
    Weiße

    Hier der link zum Video auf you-tube, in dem das Interview zu sehen ist:

    http://www.youtube.com/aeinteract

  • T
    Träumer

    Die Rally-Fahrer sind wirklich Egoisten und vergeuden einfach so Menschenleben. Ist das richtig? Ich denke nicht. Woanders wird - wenn jemand ums Leben kommt - sofort ein Riesengeschrei in den Medien aufgeführt. Aber weil es ja "nur" Afrika ist, interessiert es keinen, zum kotzen.

     

    Das Interview wird übrigens demnächst bei YouTube eingestellt. Derzeit dürfte das wohl noch nicht passieren, da die Teilnehmer der Karawane noch vor Ort sind.

  • D
    D-ROLF

    Wir sind mit Trabis 2009 erfolgreich in dieser Rallye gefahren. Bis nach Timbuktu. Der Bericht ist eine verzerrte Darstellung der Realität. Das sieht man auch am Kommentar vom "Vantasten".

    Unsere Details www.D-ROLF.com

  • GM
    Gosig Mus

    Oh je. Ich bin hin- und hergerissen. Tote Kinder: Schlecht. "Alternative" Dinge: Gut. Hmm.

  • M
    Martin

    Diejenigen, die den Unfall verursacht haben, ja. Andere sind aber vielleicht rücksichtsvoller gefahren, das lässt sich so nicht beurteilen. Die Veranstalter hingegen sind da anscheinend moralfremd und sollten die Rally einstampfen.

    Wo gibt es denn das erwähnte Interview?

  • V
    vantast

    Was für abgebrühte Egoisten,Gangster! Und die afrikanische Bevölkerung muß alle Nachteile des Egotrips tragen. Ich hoffe, daß diese Brutalos bald zur Hölle fahren.