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Investor lässt Häuser verkommenEin Wohn-Alptraum wird wahr

Der Gagfah-Konzern lässt in Hamburg privatisierte Wohnungen verkommen - gerade dort, wo 2013 eine Internationale Bauausstellung stattfindet.

Marode: Ein Haus der Gagfah im Bahnhofsviertel von Hamburg-Wilhelmsburg. Bild: Darijana Hahn

HAMBURG taz | Friederike Raum-Blöcher kann es nicht mehr mit ansehen. "Wenn Sie durch den Gagfah-Bestand in Wilhelmsburg gehen, wird Ihnen schlecht", sagt die Pastorin.

Die Wohnungen des vor einigen Jahren privatisierten Unternehmens verkommen zusehends - und das ausgerechnet in dem Stadtteil, der sich auf eine Internationale Bauausstellung (Iba) 2013 vorbereitet. Die Politik zeigt sich machtlos, da die Gagfah das Gespräch verweigert.

Die Gagfah war einmal eines der größten öffentlichen Wohnungsunternehmen. 2004 wurde es auf Geheiß der Bundesregierung an die New Yorker Beteiligungsgesellschaft Fortress verkauft, um die Rentenkasse aufzufüllen.

Schon damals wurden Befürchtungen laut, Finanzinvestoren als Eigentümer würden sich vor allem darauf verlegen, Geld aus dem Unternehmen zu ziehen - eine Befürchtung, die jetzt eingetroffen zu sein scheint.

Der Konzern schiebe unter der Spardoktrin seines Mehrheitseigners Fortress nötige Sanierungen auf die lange Bank, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Branchenkenner.

Die Stadt Dresden hat der Gagfah mit einer millionenschweren Klage gedroht, weil sie sich nicht an soziale Absprachen gehalten habe, die beim Kauf von 48.000 Dresdener Wohnungen getroffen wurden.

Das Börsenmagazin Der Aktionär rügt: "Gagfah hat es in den letzten Jahren versäumt, den Bestand zu modernisieren, um damit höhere Renditen zu erwirtschaften." Dabei seien die Großaktionäre mit Dividenden überhäuft worden.

In Wilhelmsburg hat das Folgen, wie Pastorin Raum-Blöcher schildert: Von den Balkonen fällt der Putz, in den Wohnungen schimmelt es, Fahrstühle werden wochenlang nicht repariert und die Beschwerden von Mietern ignoriert.

Inzwischen seien die Häuser in so einem schlimmen Zustand, dass es selbst die Menschen nicht mehr darin aushielten, die kaum Alternativen hätten, wie Migranten und Sozialhilfe-Empfänger, sagt Sylvia Sonnemann vom alternativen Mieterverein Mieter helfen Mietern (MHM).

"Wir haben im Moment echten Zulauf von Gagfah-Mietern", sagt Sonnemann. Das Unternehmen reagiere nicht auf normale Mängelanzeigen, sondern erst wenn mit einer Mietminderung oder Klage gedroht werde. Dabei habe die Gagfah ein leichtes Spiel, weil viele der MieterInnen Schwierigkeiten hätten, sich zu wehren.

Sonnemanns Kollegin Karin Aßmus kritisiert, dass sich die Gagfah nicht auf Stadtentwicklungsprozesse einlasse.

"Mit renditeorientierten Unternehmen kann man weder eine vernünftige Wohnungs-, noch eine vernünftige Stadtentwicklungspolitik machen", fasst sie ihre Erfahrungen zusammen. Um die Gagfah in Stadtentwicklung anlässlich der Bauausstellung einzubinden, fehlt der Ansprechpartner.

Das zuständige Bezirksamt Mitte bat im Juli 2010 schriftlich um ein Gespräch über "mögliche Perspektiven und Unterstützungsleistungen" bei einer Modernisierung. Der Bezirk war besonders interessiert daran, weil einige der betreffenden Häuser neben dem Eingangsbereich der Iba stehen.

Trotz mehrfacher Nachfragen sei bis heute kein Gespräch zu Stande gekommen, sagt Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD). "Das zeigt, wie begrenzt der Handlungsspielraum der Iba ist", heißt es dazu aus dem Arbeitskreis Umstrukturierung im gentrifizierungskritischen Netzwerk "Recht auf Stadt".

"Zu Gesprächen mit der Stadt sind wir selbstverständlich bereit", versichert die Gagfah auf schriftliche Anfrage der taz. Umfassende Sanierungen und Modernisierungen in Wilhelmsburg plane sie jedoch nicht.

Die 160.000 Gagfah-Wohnungen - 9.400 davon in Hamburg - sind nach Firmenangaben zu 95 Prozent vermietet. Durchschnittlich elf Jahre lang wohnten Mieter bei der Gagfah.

Das Unternehmen wende durchschnittlich sieben bis acht Euro pro Quadratmeter und Jahr für die Instandsetzung auf. Damit halte es seine Wohnungen auf einem "vernünftigen Standard". Mieterschützerin Sonnemann hält angesichts des Alters der Häuser zwölf Euro für nötig.

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6 Kommentare

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  • B
    Brigitte

    Der Name Gagfah ist auch im Kreis Aachen ein Reizwort, seit 2010 mehrere Häuser wegen angeblicher akuter Einsturzgefahr im Hauruckverfahren entmietet wurden.

     

    http://www.az-web.de/lokales/heinsberg-detail-az/1187985

     

    http://www.ad-hoc-news.de/wdr-reportage-hier-und-heute-zwangsraeumung--/de/News/21392136

  • B
    Bürrger

    Ich muss zugeben, ich bin seit bestimmt 10 Jahren nicht mehr in der Nähe des Bahnhosviertels in Hamburg-Wilhelmsburg gewesen, bin jedoch in Wilhelmsburg aufgewachsen und kenne dieses Viertel doch recht gut. Freunde von mir wohnten zeitweise dort, und Wilhelmsburg ist nun auch nicht sooo groß..

    Schon damals, vor 20-30 Jahren, war das Bahnhofsviertel unansehnlich, ungepflegt und teilweise miserabel unterhalten, weshalb es auch der “bevorzugte” Wohnraum für Immigranten wurde, insbesondere aus der Türkei. Trotz einiger Neubauten, welche auch eine zum Teil recht illustre Mieterschaft vorweisen konnte, ohne dies vergleichen zu meinen.

    Dort gab es eine Schule, Badstraße soweit ich mich des Namens erinnere, bei 25 Schülern pro Klasse waren vielleicht zwei Deutsche, der Rest Immigranten. Dies erwähne ich nur, um die “Ghettoisierung” zu beschreiben..

    Auf dem Gelände dieser Schule wurde vor einigen Jahren ein kleiner Junge bestialisch von einem Kampfhund zerfleischt, erinnere mich, leider, noch allzu deutlich, dies war mehr als schecklich..

     

    Nun, wir nannten es nur Klein-Istanbul und ähnliches, und bevor die S-Bahn kam, war es beileibe nicht immer angenehm, eher sehr unangenehm und teilweise gefährlich, zu Fuß durch dieses Viertel zu gehen, besonders am Abend.

     

    Was ich nach diesem einleitenden Gefasel sagen möchte...

     

    Was ich nun wirklich nicht verstehen kann, wie eine Regierung, ein Senat, einige Bürger, die eh schon zu den Schwachen und zum Teil Ausgestoßenen gehören, so bereitwillig in die renditehungrigen Finger von Finanzinvestoren fallen lässt?

    Das Resultat war doch abesehbar und sicher nicht überraschend, was zur Folge hätte, falls doch überraschend, sollten diese “Volksvertreter” wegen Unfähigkeit sofort zurück treten, falls absehbar, sofort absetzen, da diese Politiker absolut nicht im Interesse der Bürger handelten und handeln.

    Was sagt das über unsere Politiker?

    Ganz ehrlich, das hat doch mit einer “Volksvertretung” absolut nichts mehr zu tun, oder?

    Es ist schon eine Frechheit dieser “Heuschrecke” auf Grund dieser unsäglichen Ausstellung finanzielle Hilfen in Aussicht zu stellen, nur damit die “Fassade”, der Schein, stimmt.

    Dazu gibt es ja noch einige andere Dinge in Wilhelmsburg in Zusammenhang mit der Bundesgartenschau usw., siehe nur wie mit den “Laubenpiepern”(mein Vater war einer RIP ) umgegangen wurde, aber das interessiert eh niemanden...

    Unglaublich, ist doch wahrlich ein unglaublicher Skandal.

    Auf der einen Seite werden Menschen behandelt wie ausquetschbare Zahlesel, ansonsten nur als Dreck, und die Volksvertreter haben nur Interesse, wenn das Image in Gefahr ist, ansonsten geht der Ausverkauf, die gesegnete Privatisierung zu Lasten der Schwächsten, munter weiter....

    Ich fasse es ganz einfach nicht mehr, und dieser ganze Mist MUSS einfach in einem meltdown, zynisch gewählt als Motto des Tages, führen.

  • SK
    Stefan K.

    "Das Unternehmen reagiere nicht auf normale Mängelanzeigen, sondern erst wenn mit einer Mietminderung oder Klage gedroht werde. Dabei habe die Gagfah ein leichtes Spiel, weil viele der MieterInnen Schwierigkeiten hätten, sich zu wehren."

     

    Das Gleiche gilt für die Teakker Grundbesitz GmbH in Berlin.

  • Z
    Zahlemann

    achso, die Stadt würde da auch noch unser Geld reinstecken damits schöner aussieht bei der Bauaustellung??! Nach den armen (längst wieder Gewinne einfahrenden) Banken, nun die armen Finanzdienstleister/Immobilienhaie finanzieren damit die Dividende stimmt...

    Ist klar, dass da kein Geld für Strassen, HartzIV, Kultur, Bildung uä überbleibt, ich will für diese Zocker keine Steuern mehr zahlen!!!

  • A
    Alex

    Nicht nur in Hamburg oder Dresden laesst die Gagfah ihre Haeuser vergammeln. Auch in Wuppertal isset mitlerweile soweit, das die Gagfah soweit moeglich von der Stadt gezwungen wird Maengel zu beheben.

     

    Arm dran sind nur die Leute, die da wohnen.

  • G
    GonZoo

    Ich bin seit Jahren GAGFAH-Mieter, aber nicht in Hamburg. Dieses recht neue Mehrfamilienhaus wurde von der GAGFAH gebaut. Etwa ein Jahr nach dem Kauf wurde mit allen Mitteln versucht, die Wohnungen an die Mieter oder andere Interessenten zu verkaufen, auch mit massivem, lästigem Druck durch einen beauftragten Makler.

     

    Die Statistik dieses Hauses:

     

    - 10 Mietparteien

     

    - Wechsel von im Schnitt 5 Mietparteien pro Jahr

     

    - Von etwa 20 Mietparteien über fünf Jahre weiß ich, daß 18 mit der Gagfah Ärger bis zum Anwalt hatten.

     

    - Ein älteres Ehepaar kürzt seit Jahren die Miete wegen Mängeln, die seit Jahren nicht abgestellt werden.

     

    - Ich mit meiner Familie war mit zwei Themen vor Gericht, habe beide Male gewonnen. Wir haben auch schon mal zwei Jahre lang wegen Baumängeln die Miete gekürzt.

     

    Und wir suchen eine neue Wohnung.