Ethnische Gewalt in Südkirgistan: Kein Genozid an Usbeken in Osch

Eine internationale Kommission fordert das Ende von Folter und strafrechtlicher Verfolgung von Usbeken in Kirgistan. Sie hat die Angriffe auf Osch untersucht.

Eine Usbekin vor ihrem zerstörten Haus in dem Dorf Vlksm, 20 Kilometer entfernt von Osch. Bild: reuters

BISCHKEK taz | Als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichnet eine internationale Untersuchungskommission die Angriffe auf die usbekischen Wohnviertel in Osch im Juni 2010. Der ethnische Konflikt zwischen der kirgisischen Titularnation und der usbekischen Minderheit im Süden sei aber kein "Kriegsverbrechen" oder "Genozid" gewesen.

Am 3. Mai stellte in Bischkek der Vorsitzende der Untersuchungskommission Kirgistan (KIC), Kimmo Kiljunen, den Bericht zu den ethnischen Unruhen vor, die Südkirgistan im Juni vor einem Jahr erschüttert hatten. Der ehemalige finnische Abgeordnete betonte, der Bericht habe keine direkten juristischen Konsequenzen. Die strafrechtliche Aufarbeitung obliege der kirgisischen Gerichtsbarkeit. Die KIC fordert die Einrichtung einer Friedens- und Versöhnungskommission sowie das Ende von Folter und einseitiger strafrechtlicher Verfolgung von Usbeken.

In der Nacht zum 11. Juni 2010 hatte sich der ethnische Konflikt entzündet, in dessen Verlauf Tausende Kirgisen die usbekischen Wohnviertel in Osch niederbrannten. Dabei starben 470 Menschen, 74 Prozent davon Usbeken. Tausende - ebenfalls die Mehrheit Usbeken - wurden verletzt und Hunderttausende flohen zeitweise nach Usbekistan.

Machtvakuum als Ursache von Gewalt

Die KIC sieht die Unruhen als Resultat des Machtvakuums nach dem Umsturz im Frühjahr vergangenen Jahres. Am 7. April wurde der kirgisische Präsident Kurmanbek Bakijew aus der Hauptstadt Bischkek vertrieben und floh zunächst in den Süden Kirgistans. Über zwei Monate lieferten sich die neue provisorische Regierung in Bischkek und die Anhänger Bakijews im Süden einen Machtkampf.

Die provisorische Regierung setzte dabei auf die Unterstützung der usbekischen Minderheit. Dadurch bekam der Konflikt eine ethnische Komponente. Vor allem nationalistische Kirgisen im Süden fürchteten, dass die Usbeken mehr Einfluss in Kirgistan gewinnen könnten.

Die KIC macht der provisorischen Regierung den Vorwurf, den Konflikt nicht frühzeitig entschärft und so die Pflicht einer jeder Regierung, die Bürger zu schützen, verletzt zu haben. Die kirgisischen Sicherheitskräfte hätten die Auseinandersetzung zudem nicht rechtzeitig beendet. Die Entwendung von Waffen und Panzerwagen, die für den Sturm auf die usbekischen Wohnviertel genutzt wurden, müsse aufgeklärt werden. Die KIC erwähnt auch Massenvergewaltigungen vor allem usbekischer Frauen während der Unruhen.

Ausdrücklich sieht die KIC keine sogenannte dritte Kraft hinter der ethnischen Gewalt. Die Führer der usbekischen Minderheit hätten den Konflikt nicht gezielt geschürt. Es gäbe auch keinen Hinweis auf separatistische Forderungen der Usbeken, sagte Kiljunen in Bischkek.

"Die KIC hat die Situation in Südkirgistan nicht adäquat dargestellt", bemängelt die kirgisische Regierung. Sie ist überzeugt, dass es genügend Anzeichen gäbe, dass usbekische Gruppen sich auf den Konflikt vorbereitet hätten. Die kirgisische Regierung versprach, die Vorschläge der KIC zu prüfen.

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