Kommentar Handyüberwachung in Dresden: Datenskandal muss Folgen haben

Personelle Konsequenzen nach der Handyüberwachung in Dresden reichen nicht mehr. Jetzt müssen auch die Mängel im Bundesrecht endlich korrigiert werden.

Fast muss man der sächsischen Polizei dankbar sein. Ihr Handyüberwachungsexzess bei der Antinazidemo im Februar machte - wie mit dem Brennglas - ganz grundsätzliche Schwachstellen der bundesweit geltenden Strafprozessordnung deutlich.

Natürlich liegt die Verantwortung für den Skandal zunächst in Sachsen - insbesondere bei der Polizei, deren Präsident deshalb zu Recht zurücktrat. Es war ihre Idee, den Handyverkehr am 19. Februar in weiten Teilen des Stadtgebiets zu speichern und auszuwerten ("wer hat wann wen angerufen oder angesimst"). Auch die Staatsanwälte und Richter, die das beantragten und genehmigten, haben an dieser grob unverhältnismäßigen Funkzellenabfrage mitgewirkt.

Es ist aber mehr als ein Ablenkungsmanöver, wenn nun der sächsische Justizminister Jürgen Martens (FDP) eine Bundesratsinitiative ankündigt. Der Skandal muss Folgen haben, und personelle Konsequenzen in Sachsen genügen hierbei nicht. Auch die Mängel des Bundesrechts müssen korrigiert werden.

Erstens müssen Funkzellenabfragen erschwert werden, weil hier auf einen Schlag gigantische Datenmengen anfallen. Im Falle von Demonstrationen erlauben sie sogar einen heiklen Überblick über die Kommunikationsbeziehungen ganzer politischer Szenen.

Zweitens ist zu verhindern, dass dieser Datenpool, wenn er erst einmal legal erhoben wurde, weiterhin auch für viele andere Zwecke genutzt werden kann: als Ermittlungsansatz in anderen Strafverfahren, für die polizeiliche Gefahrenabwehr und für den Verfassungsschutz.

Drittens sollte künftig jede Weitergabe der Daten, soweit sie zulässig bleibt, von einem Richter genehmigt werden. Die Vorschläge aus Sachsen gehen in die richtige Richtung, genügen diesen Ansprüchen aber noch nicht.

Auch ist der Weg bis zur Verwirklichung noch lang. Martens muss noch seine Kabinettskollegen, den Bundesrat und schließlich den Bundestag überzeugen. Einfacher wäre es, wenn sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Sache annähme. In der Bundesregierung ist schließlich sie für die Strafprozessordnung zuständig.

Der Kampf gegen Datensammlungen ohne Anlass - wie bei der Vorratsdatenspeicherung - ist wichtig. Dresden hat aber gezeigt, dass auch eine anlassbezogene Datensammlung zu enormen Datenschutzproblemen führen kann.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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