Monokulturen und Pestizide in Tirol: Klonarmeen im Apfel-Universum

Ausgerechnet im Vorzeigeland für Ökourlauber gibt es riesige Apfel-Monokulturen – und Pestizidwolken. Die Artenvielfalt leidet – sogar das Stinktier nimmt Reißaus.

Perfektes Konsumgut. Bild: Jorge Elías | CC-BY

EPPAN taz | Es sitzt sich schön in der Gartenwirtschaft in Eppan, unter alten, knorrigen Apfelbäumen, mitten in der sattgrünen Landschaft Südtirols. Hier ist die Welt noch in Ordnung, hier bringt die gutgelaunte Kellnerin im feschen Dirndl das Bier.

Vor allem das umweltbewusste Publikum fühlt sich wohl zwischen Bozen und Meran. Stimmt es nicht, dass keine italienische Region mehr tut für den Landschaftsschutz und dem Erhalt von Berghöfen? Und stimmt es nicht, dass Südtirol ganz Italien schlägt, wenn es um die Verhinderung weiterer Versiegelung der Landschaft geht?

Dennoch beschleicht einen im Eppaner Apfelgarten ein merkwürdiges Gefühl. Äpfel hat Südtirol bis zum Abwinken zu bieten. Doch die krumm und schief wachsenden Apfelbäume, die hier über den Bänken Schatten spenden, gehören eigentlich unter Denkmalschutz gestellt.

öde Folgen des Wirtschaftswunders

Schon auf der Anfahrt: Monotonie, Kilometer um Kilometer. Immergleiche Plantagen erstrecken sich, so weit das Auge reicht, die gerade hochgeschnittenen "Bäume" stehen stramm in Reih und Glied, einer sieht aus wie der andere. Endlos lange Reihen von uniformierten Pflanzen ziehen sich hin, deren Abstand genau so bemessen ist, dass die Traktoren mit dem Sprühwagen hintendran durchkommen, und drüber sind die Anti-Hagel-Netze gespannt.

Wie mit dem Lineal auf dem Reißbrett gezogen präsentieren sich da die öden Folgen eines der Wirtschaftswunder von Südtirol. 18.000 Hektar, prahlt der Verband der Südtiroler Obstgenossenschaften (VOG), werden mittlerweile mit Apfelplantagen bebaut, das sind 180 Quadratkilometer. Mehr als eine Million Tonnen Jahresproduktion macht das - zehn Prozent aller in der EU geernteten Äpfel. Und der VOG rühmt sich dafür, dass fast überall "integrierter Anbau" herrsche, fast schon "Bio", wenn man den Versprechungen glauben darf: Schädlinge nämlich würden "so weit wie möglich natürlich bekämpft", mit "fast ausschließlich natürlichen Fressfeinden": "Zurück zur Natur" sei das Motto.

Die Realität aber sieht anders aus. 20- bis 23-mal wird ein Apfelbaum zwischen einer Ernte und der nächsten chemisch behandelt. Mit Pestiziden, Fungiziden, Dünger - an die zehn Prozent der Bauern mögen zwar Bioanbau betreiben, sagt Luigi Mariotti vom WWF Bozen, "an der Monokultur aber ändert das nichts".

Früher, erzählt Mariotti, fanden sich anstatt der immergleichen Plantagen Wiesen, kleine Wäldchen, freistehende Bäume - früher konnte man eine reich variierende Natur sehen. Früher auch gab es Apfelsorten wie den Kalterer, den Gravensteiner oder den Weißen Rosmarin. Sie sind alle weg, ersetzt durch das Supermarkteinerlei von Elstar, Golden Delicious und Jonagold.

Die Tiere verschwinden

Den Schaden hat die Artenvielfalt. Lebensräume verschwinden, und "Schädlinge" werden gezielt vergiftet. Der Star? Er verschwindet zunehmend aus dem Etschtal, genauso wie die Wachtel. Und das Stinktier ist völlig ausgerottet.

Luigi Mariotti freut sich zwar, dass langsam der Anteil der Biobauern steigt. Doch eine Wende wäre für ihn erst gegeben, wenn Südtirol aufhört, auf intensive Monokulturen zu setzen. Da aber ist Optimismus nicht angesagt: Nach dem Etschtal breiten sich die Apfelplantagen nun auch im westlich gelegenen Vinschgau immer mehr aus.

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