Streit um Bundestrojaner: Justizministerin kündigt Aufklärung an
Nach der Kritik des CCC am Bundestrojaner, hat die Bundesjustizministerin Aufklärung angekündigt. Auch der Datenschutzbeauftragte will nun Überwachungssoftware prüfen.
BERLIN rtr/afp/dpa/dapd | Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat angesichts der Vorwürfe des Chaos Computer Clubs (CCC) am Bundestrojaners "totale Transparenz und Aufklärung" versprochen. Sie werde auf Bundes- und Länderebene prüfen, ob solch eine Überwachung in Deutschland zum Einsatz komme. "Wenn das so wäre, wäre es nicht im Einklang mit unseren Gesetzen", sagte die FDP-Politikerin am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Dann müssten geeignete Wege gefunden werden, das zu untersagen.
Hintergrund ist ein Bericht des CCC über Pannen und Sicherheitslücken beim einer als "Bundestrojaner" bezeichneten Überwachungssoftware.
Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat angekündigt, die von deutschen Sicherheitsbehörden eingesetzte Software zur Überwachung verschlüsselter Kommunikation unverzüglich zu überprüfen. In einem Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Schaar: "Wir werden die eingesetzte staatliche Überwachungssoftware jetzt genau auf den Prüfstand stellen."
Wenn sich die Vorwürfe des CCC bestätigten, wäre das höchst beunruhigend. "Es darf nicht sein, dass beim Abfangen verschlüsselter Internet-Kommunikation auf dem Computer durch die Hintertür auch eine Online-Durchsuchung des gesamten Rechners durchgeführt werden kann", sagte Schaar. Der Staat dürfe nur Programme einsetzen, die technisch beherrschbar und damit frei von Missbrauchsrisiken seien, forderte er.
Aufklärung im Innenausschuss
Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem äußerte sich kritisch. "Soweit der Staat überhaupt das informationstechnische System infiltrieren darf, muss er Risiken eines Missbrauchs vorbeugen", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der maßgeblich für das Karlsruher Urteil zur Online-Durchsuchung verantwortliche Richter fügte hinzu: "Es müssen wirkungsvolle Sicherungen eingebaut sein, sonst ist das Vorgehen rechtswidrig." Jemandem Daten unterzuschieben, was mit einem Trojaner möglich ist, sei "in jedem Fall rechtswidrig".
Der stellvertretende innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, erklärte, es dürfe aber "niemals" ein Trojaner eingesetzt werden, "der eine weiter gehende oder beliebige Ausspähung ermöglicht". Zudem sei es "ein Unding", dass "private Anbieter für staatliche Behörden Spähsoftware bauen". Hartmann forderte deshalb eine "sofortige und umfassende Aufklärung" im Innenausschuss des Bundestages.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klage gegen Einstufung
Verfassungsschutz nennt AfD vorläufig nicht mehr rechtsextrem
Friedrich Merz und sein Naziopa
Kann Merz als Bundeskanzler dazu weiter schweigen?
Zurückweisungen an den Grenzen
„Wir schaffen das“ ist jetzt abgeschafft
Architektur nach der Nazi-Zeit
Lieblose Städte, kalte Städte
80 Jahre Kriegsende
Wie konnte die Bombardierung Hamburgs richtig sein?
Dobrindt lässt Migranten zurückweisen
Die Ignoranz der Lehre vom 8. Mai