Echt-Schlagzeuger jetzt Kindergärtner: "Ich habe die Band geliebt"

Auf die Zeit, als er noch Schlagzeuger der Band "Echt" war, schaut er ein bisschen stolz, aber ganz ohne Wehmut zurück. Denn Florian Sump kann sich als Kindergärtner weiterhin kreativ entfalten und seiner Leidenschaft, der Musik, frönen.

Verzichtet bei seinen Hip-Hop-Songs für Kinder auf den pädagogischen Ansatz: Florian Sump. Bild: Miguel Ferraz

taz: Herr Sump, Ihre Band "Echt" hat sich 2002 getrennt, da waren Sie 21. Hatten Sie damals schon einen Plan B für Ihr Leben?

Florian Sump: Nee, gar nicht. Mein Plan war erst mal, keinen Plan zu haben. Schließlich war mein Leben die fünf Jahre davor komplett durchgeplant. Wir haben ja die Band gegründet als wir elf waren und ab da eigentlich immer nur Musik gemacht. Als unser erstes Video auf dem Musiksender Viva gespielt wurde und alles ganz groß wurde, waren wir 16. Da stellte sich noch nicht die Frage, was man später mal machen möchte, wie es danach weitergeht.

Was haben Sie aus Ihrer neu gewonnenen Freizeit gemacht?

Ich habe erst mal gechillt, zweimal am Tag beim Pizzaservice angerufen, war viel feiern, habe Zeit mit Freunden und Familie verbracht. Ich habe das nachgeholt, was vorher immer auf der Strecke geblieben ist. Ein Jahr habe ich wirklich nur herumgehangen. Dann fing es aber an, total langweilig zu werden, und ich musste mir überlegen, was ich nun mache. Anfangs fiel es mir schwer, mich festzulegen: Ich habe auf dem Markt Fleisch verkauft, in der Videothek gearbeitet. Ich war sogar für ein paar Tage Reinigungskraft in einem Hotel. Ich hatte Bock, viele Sachen auszuprobieren, habe es genossen, mein Geld mit etwas zu verdienen, was nicht meine Leidenschaft ist. Ich hatte das Gefühl, das wäre die andere Seite, die ich auch mal kennenlernen muss.

Heute arbeiten Sie als Kindergärtner. Wie kam es dazu?

Als ich meinen Zivildienst im Kindergarten nachgeholt habe, habe ich gemerkt, dass das etwas ist, auf das ich mich festlegen kann - zumindest für ein paar Jahre. In diesem Job herrscht ganz viel Bewegung. Täglich ändern sich Dinge, weil die Kinder sich so schnell verändern. Ich hatte aber auch das Gefühl, dass das ein Job ist, bei dem ich mich mit meinem eigenen Style gut einbringen kann

Wie kann man sich Ihren Style vorstellen?

Als Mann bin ich eher für die Actionsachen zuständig. Es ist natürlich nicht so, dass meine Kolleginnen den ganzen Tag mit der Bastelschere am Tisch sitzen, aber als Quereinsteiger, der gar keine Ausbildung gemacht hat, habe ich sehr viel Raum, in dem ich mich frei entfalten kann. Wer nicht total faul ist und da auch Bock drauf hat, kann total kreativ sein und echt tolle Sachen erleben. Das ist nicht jeden Tag so, aber oft genug, sodass ich sagen kann, ich bin echt glücklich mit meinem Job.

Auf welche Art bringen Sie sich kreativ ein?

Ich bin nach wie vor durch und durch Musiker, daher habe ich irgendwann angefangen, auch mit den Kindern Musik zu machen. Ich mache mit ihnen Übungen, bei denen es um Bewegung und Rhythmusgefühl geht, will ihnen vermitteln, wie viel Spaß Musik machen kann. Meistens machen wir zusammen Hip-Hop - eine Musikrichtung, mit der ich mich seit fünf Jahren intensiv beschäftige. Ich finde es wichtig, mit den Kindern etwas Cooles zu machen, wo nicht unbedingt die Akustik-Gitarre plänkelt. Ist zwar auch ganz schön, aber ich wollte ein bisschen mehr Action.

Was ist das pädagogisch Wertvolle am Hip-Hop?

Ein wichtiges Element des Hip-Hop ist es, sich gegenseitig Respekt zu geben. Auch wenn zwei Kinder sonst nicht so viel miteinander spielen, machen wir in dem Moment alle etwas zusammen und geben uns gegenseitig Respekt. Es ist cool zu sehen, wenn der schüchterne Karl-Heinz drei Wochen lang den Mund nicht aufkriegt, sich dann doch überwindet und Reime darüber vorträgt, was er gerne mag. Die anderen Kinder jubeln ihm dann zu und nicken mit den Köpfen, sodass er dann das nächste Mal noch ein bisschen selbstbewusster ist. Das sind die kleinen Erfolge, bei denen ich weiß, wofür ich das mache.

Reichen einem Vollblut-Musiker, der früher groß gefeiert wurde, die kleinen Erfolge?

Mittlerweile habe ich einen Weg gefunden, mich trotz meines Vollzeitjobs als Kindergärtner musikalisch zu verwirklichen. Schon kurz nach der Trennung von "Echt" habe ich das Hip-Hop-Projekt "Jim Pansen" auf die Beine gestellt und spiele regelmäßig Konzerte oder auf Festivals. Anfang dieses Jahres ist mir während meiner Arbeit aber eine Idee für ein weiteres, ganz neues Projekt gekommen. Als ich unsere CDs im Kindergarten sortiert habe, habe ich festgestellt, dass die Kindermusik, die ich gut finde aus den 70er-, 80er-Jahren stammt. Und mir ist aufgefallen, dass das, was heute gemacht wird, oft ganz lieblose Musik von ein paar gewitzten Produzenten ist. Dann habe ich angefangen, mit zwei Freunden ein Kinder-Hip-Hop-Album aufzunehmen. Meine Arbeit lieferte dabei den besten Stoff für Texte.

Was sind es für Themen, die Sie aus Ihrer Arbeit im Kindergarten mitnehmen?

Viele Lieder für Kinder folgen ganz dem Motto "Tu dies nicht, tu das nicht" - immer mit so einem leicht angestaubten pädagogischen Ansatz. Wir wollten es mit einem entgegengesetzten Dreh versuchen. Wir wollten nicht den Kindern erzählen, an was für Regeln sie sich halten müssen, sondern wollten Themen aus ihrer Sicht behandeln. Ich zeige Verständnis für Kinder, die keine Lust haben, aufzuräumen und die Spielverderber doof finden. Wir verzichten auf den pädagogischen Ansatz. Wir gesellen uns zu den Kindern und nehmen Abstand von der Ansicht, dass Kindermusik Erziehung sein muss.

An wen richten Sie sich in den Liedern?

Wir haben ein Lied, das sich speziell an Eltern richtet: "Klein sein". Es beschäftigt sich damit, dass heutzutage viele Kinder unter großem Leistungsdruck stehen, für die es immer heißt "Mach, mach, mach". Das Lied richtet sich an Eltern aus der Sicht eines Kindes, das einfach nur klein sein und einfach manchmal nur Mist bauen will. Ansonsten ist meine Musik aber nichts für die Eltern, sondern nur für die Kinder.

Finden sich Ihre Kindergartenkinder in Ihren Texten wieder?

Ja, total. Die sind meine Jury. Ich teste meine Lieder immer an ihnen. Als ich die ersten Aufnahmen mitgebracht habe, habe ich nicht gesagt, dass das meine Musik ist, sondern die Musik einfach angestellt und geguckt, wie sie darauf reagieren. Mein Konzept ist zum Glück aufgegangen. Den Kindern haben meine Lieder so gut gefallen, dass ich mit meiner Arbeit weitermachen wollte.

Wissen Ihre Kindergartenkinder von Ihrer Vergangenheit als berühmter Popstar?

Ich mache kein Geheimnis daraus, sage aber auch nicht "Guten Tag, ich bin Flo, ich habe mal bei ,Echt' gespielt". Das sollen die selbst herausfinden. Vor Kurzem haben wir "Ich packe meinen Koffer" gespielt und ein Mädchen hat die Popgruppe "Echt" mit eingepackt. Das fand ich sehr gut, da hat sie gute Musik dabei.

Können Sie sich mit Ihrer Musik von damals noch identifizieren?

Absolut. Ich hab die Band geliebt und auch die Musik, die wir gemacht haben. Witzigerweise begegne ich oft Menschen, die davon ausgehen, dass ich mich für meine "Echt"-Vergangenheit schäme. Gerade bei Liedern wie "Wir habens getan" könnte man ja auf den Gedanken kommen. Aber trotzdem gibt es Teile unserer Bandgeschichte, auf die ich echt stolz bin. Damals gab es noch keine Juli, Silbermond oder Wir sind Helden. Da waren Dr. Alban, Captain Jack und Nana angesagt, und mit dem, was wir gemacht haben, sind wir nicht auf irgendeinen Zug aufgehüpft. Wir haben nicht nachgemacht, was gerade angesagt war - und das finde ich nach wie vor gut.

30, hat im Alter von elf Jahren mit seinen besten Freunden die Band "Echt" gegründet. Ursprünglich war er der Keyboarder der Band, wechselte dann aber später zum Schlagzeug. Für ihre Musik wurden "Echt" mit zwei Goldenen Schallplatten, einem Bambi und einem Echo ausgezeichnet.

Florians Liebe zur Musik hängt an keinem Instrument. Sein Schlagzeug steht verpackt an einem "geheimen Ort". Heute arbeitet er hauptberuflich als pädagogischer Mitarbeiter im Kindergarten "Company Kids Hamburg" und hat auch schon mal ein Mädchen aus dem Kindergarten mit ins Studio genommen, um mit ihr einen Song einzusingen.

Florian trifft sich gerne mit "Echt"-Bassist Puffi, der schon Vater ist, und tauscht sich mit ihm über Kinder aus. Auch macht er unter dem Künstlernamen "Jim Pansen" auch Hip-Hop mit nicht hundertprozentig kindgerechten Texten.

Wie sieht die Zukunft für "Jim Pansen" und Ihren Kinder-Hip-Hop aus?

"Jim Pansen" ist ein Liebhaberprojekt und wird ewig weitergehen. Ich schreib ab und zu was, und wenn ich Lust habe, nehme ich ein paar Auftritte mit. Damit ist es aber auch gut. Bei der Kinder-Hip-Hop-Sache sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg und befinden uns gerade im Gespräch mit einer großen Plattenfirma. Die Platte ist fertig und wir haben uns auch überlegt, ein Theaterstück draus zu machen, mit dem wir durch Kindertheater touren können.

Was passiert mit Ihrem Job als Kindergärtner, wenn Sie mit Ihrem Album Erfolg haben?

Ewig werde ich meinen Job im Kindergarten wahrscheinlich nicht machen können, denn irgendwann wäre mir die Lautstärke zu gesundheitsgefährdend. Wir dachten früher, dass Konzerte mit 2.000 kreischenden Teenies eine Belastung für unsere Ohren wären. Es ist aber nichts gegen 15 Kinder, die du acht Stunden am Tag um dich herum hast. Ich würde aber versuchen, weiter im Kindergarten zu bleiben. Die Musikindustrie hat solche Umsatzeinbrüche erlitten, dass sogar Mitglieder von mittelmäßig erfolgreichen Bands noch Nebenjobs haben, weil sie ein geregeltes Leben haben wollen. Ich hätte allerdings nichts dagegen, mal ein bisschen weniger zu arbeiten und ein bisschen mehr auf Tour zu sein. Von meinem Arbeitgeber aus habe ich aber auch die Möglichkeit, mal für ein halbes Jahr zu sagen: "Ich bin mal eben auf Theatertour." Es muss nur alles gut durchdacht und geplant sein, dann ist alles möglich.

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