Kommentar Respekt für die Mordopfer: Es geht ums Ganze

Aus Respekt sollte geschrieben werden, wie die Opfer des Naziterrors tatsächlich heißen. Schluss mit den Abkürzungen!

Die man einer Tat verdächtigt, werden in den Medien nicht mit vollem Namen genannt. Die Presse hält sich mehr oder weniger konsequent an diesen Konsens. Lange hieß die Überlebende des thüringischen TäterInnentrios auch in der taz Beate Z. - bevor sich die Redaktion entschied, den Namen auszuschreiben, weil es sich um eine Person der Zeitgeschichte handelt. Ihre zwei Kumpanen wurden immer mit vollem Familiennamen genannt.

Davon abgesehen, dass das moralisch nicht richtig sein muss - der Name der mutmaßlichen Täterin ist inzwischen hinlänglich oft geschrieben worden -, könnte die Bezeichnung der Täter, ob sie nun den Freitod wählten oder nicht, ohne Abkürzung des Namens fragwürdig sein: Das eröffnet der Verfolgung von Angehörigen Tür und Tor: Sippenhaft ist aber (s. NS-Zeit) ethisch wie rechtlich verboten.

Aber: Weshalb werden die Namen der Opfer des Trios und ihrer HelferInnen anonymisiert? Haben sie nicht, die keine andere Gemeinsamkeit hatten außer der, so darf vermutet werden, von ihren MörderInnen unterstellten ethnischen Ähnlichkeit, wenigstens das moralische Recht darauf, als Einzelne bezeichnet zu werden? Dass sie - das vor allem! - nicht mehr auf eine Opferkette unter der Überschrift "Döner-Morde" gefädelt werden?

In jedem Namen steckt Identität, eine immer höchst komplexe, das heißt individuelle, unteilbare. Das Worte "Türke" stimmte schon faktisch nicht, weil ein Opfer griechischer Herkunft war. Aber, sofern deren Angehörige es nicht ausdrücklich anders wünschen: Ist es nicht eine Frage des Respekts, die Ermordeten wenigstens, wie es manche Zeitungen vorige Woche machten, beim vollen Namen zu nennen?

Es wären dann keine Türken, Migranten, Ausländer oder sonst was, sondern: Menschen, denen man zumindest posthum ein Stück Würde zurückgibt.

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Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.

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