Kommentar Kim Jong Il: Pufferstaat Nordkorea

Nordkorea liegt zwischen mächtigen Nachbarn, die einander nicht über den Weg trauen. Für sie ist jeder Kim das kleinere Übel. Reformen sind so nicht zu erwarten.

Ein offizieller Feiertag war Weihnachten noch nie in Nordkorea. Dieses Jahr fällt das Fest auch für die wenigen Christen im Land aus. Das Staatsfernsehen zeigt stattdessen anlässlich des größten anzunehmenden Trauerfalls hemmungslos weinende Massen.

Wer im total kontrollierten Nordkorea lebenslänglich auf die Vergötterung der Dreifaltigkeit aus Großvater, Sohn und jetzt Enkel Kim gedrillt wurde, kann sich kaum anders verhalten, zumindest nicht, ohne ein großes Risiko einzugehen.

Nordkorea nimmt selbst unter den skurrilsten Diktaturen dieser Welt eine Sonderstellung ein. Kein Land ist so wenig bekannt, so abgeschottet. Vom Tod Kim Jong Ils, der am Samstag eingetreten sein soll, drang bis zur Meldung des Staatsfernsehens am Montagmittag (Ortszeit) nichts nach außen.

Im angrenzenden Südkorea, dem bestvernetzten Land der Welt, waren inklusive der Geheimdienste alle überrascht. Nordkorea ist die weltweit bizarrste Kombination von Stalinismus, dynastischer Erbfolge und Personenkult, von angedeutetem Atompotenzial und realer Hungersnot.

Doch den jetzt verstorbenen Kim als "Irren mit der Bombe" abzutun, verkennt die Lage. An Kim haben sich drei US-Präsidenten die Zähne ausgebissen. George W. Bush, der nie eine nordkoreanische Atombombe akzeptieren wollte und mit "regime change" drohte, schickte sogar Hilfe. Kim Jong Il war bereit, für den Machterhalt sein Volk verhungern und die Region ins Chaos stürzen zu lassen. Stabilität unter Inkaufnahme der Kim-Diktatur erschien sogar Südkorea besser als eine Im- oder Explosion im Norden.

Nordkorea ist ein Pufferstaat zwischen mächtigen Nachbarn, die einander nicht über den Weg trauen. Für sie ist jeder Kim das kleinere Übel. Ihnen empfahl China seine eigene Mischung aus autoritärer Herrschaft und Wirtschaftsliberalisierung, die aber bisher zu riskant erschien.

Kims Sohn wird zunächst mit der Konsolidierung der Macht beschäftigt sein. So lange sind keine Reformen zu erwarten. Auch die gerade wieder aufgenommenen Gesprächskontakte mit den USA dürften erst mal nicht weiterführen.

Bekommt Kim interne Probleme, besteht das Risiko militärischer Abenteuer - der "Test" einer Kurzstreckenrakete am Montag ist da zugleich eine Warnung. Dieses Regime ist nur unter hohen Risiken zu beseitigen oder zu reformieren. Das Trauerspiel dürfte für die Bevölkerung noch lange weitergehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.