Nordkorea nach Kim Jong Ils Tod: Nachbarn beraten über den Neuen
Die Position des neuen Staatschefs Kim Jong Un festigt sich. Er ist nun Oberbefehlshaber der Armee und Parteichef. Japan und China tauschen sich über Stabilität auf der koreanischen Halbinsel aus.
SEOUL afp | Nach dem Tod des nordkoreanischen Staatschefs Kim Jong Il scheint dessen Sohn Kim Jong Un seine Macht in Nordkorea zu festigen. Die Staatspresse des Landes bezeichnete ihn am Wochenende zunächst als Oberbefehlshaber der Armee und am Montag schließlich als Chef des Zentralkomitees der Arbeiterpartei und damit faktisch als Parteichef. Unterdessen berieten Japan und China über die Sicherheitslage in der Region.
"Lasst uns unser Leben geben zum Schutz des Zentralkomitees unter Führung des geliebten Genossen Kim Jong Un", schrieb die Zeitung Rodong Sinmun, das offizielle Organ der kommunistischen Arbeiterpartei, am Montag. Der Chef des Zentralkomitees ist in der Regel zugleich Generalsekretär der Arbeiterpartei, was als wichtigster ziviler Posten im Ein-Parteien-System Nordkoreas gilt. Offiziell trägt Kim Jong Un diesen Titel aber offenbar noch nicht.
Erst am Samstag hatte die Rodong Sinmun Kim Jong Un als "Oberbefehlshaber" der Armee bezeichnet. Die Kontrolle über die 1,2 Millionen Mann starken Streitkräfte gilt als von zentraler Bedeutung in Nordkorea. Kim Jong Un, der nach dem Tod seines Vaters zu dessen Nachfolger ernannt worden war, hatte bisher die offiziellen Beinamen "Großer Nachfolger" und "Großer Kamerad". Sein höchstes offizielles Amt war das des Vize-Vorsitzenden der mächtigen zentralen Militärkommission der nordkoreanischen Arbeiterpartei.
Kim Jong Il war am 17. Dezember im Alter von 69 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Sein dritter Sohn Kim Jong Un, der 1983 oder 1984 geboren sein soll, übernimmt die Herrschaft über Nordkorea nun in der dritten Generation, die genauen Machtverhältnisse sind indes noch unklar. Mit Spannung erwarten die Nachbarn Nordkoreas und der Westen daher die für Mittwoch geplante pompöse Beisetzung Kim Jong Ils. Beobachter erhoffen sich von den öffentlichen Auftritten von Würdenträgern Aufschluss über die künftige Machtverteilung.
Zwei private südkoreanische Delegationen
Am Montag reisten zwei private südkoreanische Delegationen nach Nordkorea, um Kim Jong Il die letzte Ehre zu erweisen. "Ich hoffe, dass unser Besuch helfen wird, die Beziehungen zwischen dem Süden und dem Norden zu verbessern", sagte die Witwe des ehemaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae Jung, Lee Hee Ho, laut der Nachrichtenagentur Yonhap. Die zweite Delegation wurde von Hyundai-Chefin Hyun Jung Eun angeführt. Südkorea hatte nur diesen beiden Delegationen die Reise in den Norden erlaubt. Sie werden vor der Beisetzung Kim Jong Ils das Land wieder verlassen.
Die Auswirkungen des Todes Kim Jong Ils waren das beherrschende Thema des ersten Staatsbesuchs von Japans Regierungschef Yoshihiko Noda in China. Bei einem Treffen mit Chinas Regierungschef Wen Jiabao sagte er nach Angaben des japanischen Außenministeriums am Sonntag, Kim Jong Ils Tod dürfe keine negativen Auswirkungen auf "Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel" haben. China spiele dabei eine "extrem wichtige Rolle".
Nach Angaben des chinesischen Staatsfernsehens einigten sich beide Regierungschefs darauf, die seit Dezember 2008 unterbrochenen Sechs-Nationen-Gespräche zum umstrittenen nordkoreanischen Atomprogramm bald wieder aufzunehmen. Am Montag traf Noda Chinas Staatschef Hu Jintao.
Die Beziehungen zwischen den beiden Regionalmächten sind wegen zahlreicher Gebietsstreitigkeiten belastet. Als einziger Verbündeter des kommunistischen Nordkorea hat China nach Einschätzung von Experten jedoch eine Schlüsselrolle bei der Beeinflussung der nordkoreanischen Außenpolitik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett