Schadensersatz für Twitteraccount: Vom Wert eines Followers

Ein Angestellter einer US-Firma twitterte fürs Unternehmen auf eigenen Namen – und nahm den Account mit. Nun soll er Schadensersatz zahlen.

Was sind diese inzwischen knapp 24.000 Follower wert? Noah Kravitz Twitteraccount. Bild: screenshot twitter.com

BERLIN taz | Der amerikanische Branchendienst Phonedog verklagt einen ehemaligen Angestellten auf Schadensersatz – weil er Tausende Follower auf seinem vormals dienstlich genutzten Twitteraccount mitnahm. Ein exemplarischer Prozess, macht er doch deutlich, wie Social Media in Unternehmen funktioniert, beziehungsweise was sie einem Unternehmen wert ist.

Der Wert eines Social-Media-Unternehmen wie Twitter und Facebook ergibt sich direkt aus der Zahl der Nutzer sowie aus der Menge der über sie gesammelten Daten. Auch wenn bei Verkäufen von Internetplattformen bisweilen astronomische Summen über den Tisch gehen, war bislang kein eindeutiges Preisschild an den einzelnen Accounts angebracht.

Das könnte jetzt ein kalifornisches Bezirksgericht ändern. Dort liegt, wie die New York Times berichtet, seit Juli eine Klage des Portals Phonedog gegen den ehemaligen Angestellten Noah Kravitz vor. Kravitz hat mit einem Gespür für die sich entwickelnden Kommunikationsformate (Youtube-Videos, Tweets und dergleichen) wesentlich zur Steigerung der Bekanntheit der Firma beigetragen, die Mobiltelefone, Applikationen und Netzbetreiber bespricht.

17.000 Follower

Über die Jahre hat sein Twitteraccount "@Phonedog_Noah", den er sowohl für private wie auch dienstliche Einträge nutzte, 17.000 Follower angesammelt. Das ist im Universum der SMS-langen Blogeinträge eine durchaus signifikante Anzahl.

Ende 2010 trennten sich Kravitz und Phonedog – dem Vernehmem nach im Guten. Aus dem Namen des Twitteraccounts wurde der Verweis auf den vormaligen Arbeitgeber gestrichen, er hieß nun schlicht "@noahkravitz". Vereinbart wurde, dass Kravitz gelegentlich in Tweets auf Phonedog Bezug nehmen werde.

Doch das Verhältnis verschlechterte sich, als Kravitz wenige Monate später als ehemaliger stiller Teilhaber auf die Auszahlung von Anteilen am Werbeumsatz klagte. Nun änderte sich auch die Einstellung von Phonedog zu den Twitterfollowern: Die sah die Firma nun als Kundenliste an und verlangte ihrerseits gerichtlich von Kravitz Schadensersatz. In ihrer Klage bewertete Phonedog jeden Follower als mit rund 2,50 Dollar pro Monat. So entstand eine Schadensersatzforderung von 340.000 Dollar (gut 260.000 Euro).

Eine der einleuchtendsten Erklärungen für die Funktionsweise Sozialer Medien ist die Feststellung, dass Dinge die kostenlos angeboten werden, nicht das eigentliche Produkt darstellen, sondern jene, die es nutzen. Der konkrete Wert des einzelnen Kontakts für die Verkaufs- und Werbeprofis jedoch ist so noch nicht öffentlich festgestellt worden. Insofern ist die Klage über den anekdotischen Charakter des arbeitsrechtlchen Streits hinaus interessant.

Menschen als Ware

Die Selbstverständlichkeit, mit der Social-Media-Verbindungen und damit die dahinter stehenden Menschen als Ware geführt werden, offenbart ein sehr klares Verständnis von den Mechanismen und den daraus folgenden Verhältnissen der Netzwelt auf Seiten der Anbieter.

In dieser Direktheit scheint das bei vielen Nutzerinnen und Nutzern noch nicht angekommen zu sein. Wer wusste bislang schon, welches Preisschild bereits angebracht ist an den wenigen Daten, die ein Twitteraccount bereit hält. Die viel größere Informationsmenge bei Facebook sollte doch mindestens das Doppelte wert sein. Bei 800 Millionen Nutzern kämen da über 3 Milliarden Euro zusammen – allein bei einer einmaligen Verwertung der Daten.

Angesichts dieser Summen und des überhaupt nicht adäquaten, immer so sorglosen, den Wert der eigenen Information völlig verkennenden Nutzerverhaltens so vieler, fühlt man sich in Douglas Adams „Restaurant am Ende des Universums“ versetzt. Die einzelnen Twitterfollower und Facebookfriends sind dabei nicht die Gäste. Sie sind die Kuh, die sich in Adams Science Fiction Vision selbst zum Verzehr empfiehlt und dabei nicht den geringsten Zweifel hat, dass mit ihrer anschließenden Zubereitung nicht den Speisenden, sondern ihr ein Gefallen getan wird.

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