Martin Schulz feiert Triumph: Polterer mit Feinschliff

Mit überwältigender Mehrheit wurde Martin Schulz zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt. Er soll die EU demokratischer und sozialer machen.

Karrieresprung: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Bild: dpa

Jahrelang hat er darauf hingearbeitet. Am Dienstag konnte Martin Schulz (56) seinen Triumph feiern: Mit einer überwältigenden Mehrheit von 55 Prozent der anwesenden Abgeordneten wurde der deutsche Sozialdemokrat aus Würselen bei Aachen zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählt.

"Wer glaubt, man könne ein Mehr an Europa mit einem Weniger an Parlamentarismus schaffen, dem sage ich hier und jetzt den Kampf an", sagte Martin Schulz nach seiner Wahl mit Blick auf die Alleingänge der Staats- und Regierungschefs in der Finanzkrise.

Viel hat er sich vorgenommen: Er will der europäischen Volksvertretung mehr Mitsprache beschaffen. Er will sich einmischen, sich bei den Treffen der Staats- und Regierungschefs mit an den Tisch setzen, auch wenn er nicht eingeladen wird. "Ich werde mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dem Parlament eine starke Stimme zu geben", sagte Schulz gestern in Straßburg.

Er tritt die Nachfolge von Jerzy Buzek, dem konservativen Polen, an. Die zwei großen Fraktionen im Europäischen Parlament von Konservativen und Sozialdemokraten teilen sich traditionell das Präsidentenamt.

Seit 1994 sitzt der gelernte Buchhändler Schulz im Europäischen Parlament. Seit acht Jahren ist er bereits Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten. Ausgerechnet der ehemalige italienische Regierungschef Silvio Berlusconi hat Schulz zu EU-weiter Bekanntheit verholfen. 2003 beschimpfte Berlusconi den Deutschen in einer Parlamentsdebatte als Nazischergen. Berlusconi musste sich daraufhin öffentlich beim damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) entschuldigen.

Schulz ist seitdem als Kämpfer und Kritiker bekannt. Nicht immer kommt seine polternde und wenig sensible Art gut an, aber aus seinen Reden spricht immer eine tiefe Europa-Überzeugung, die er auch all die Jahre in Brüssel nicht verloren hat. Kritiker werfen ihm vor, gerne große Worte ohne allzu viel Inhalt zu schwingen. Mit wirtschafts- oder finanztechnischen Details beschäftigt er sich tatsächlich nicht sehr gern. Aber das verlangt in seiner neuen Position auch niemand: Er soll die EU demokratischer machen und sozialer.

Er sagt selbst, er will das Vertrauen der Bürger in die Staatengemeinschaft zurückgewinnen. Wenn er das in den kommenden zweieinhalb Jahren bis zur Europawahl 2014 schafft, dann wird er seine Amtszeit als erfolgreich betrachten können.

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