Kommentar Studie Muslime in Deutschland: Wie Friedrich die Integration verweigert
Warum konzentriert sich die vom Innenminister beauftragte Studie mal wieder auf Muslime? Weil Vorurteile bei Nichtmuslimen offenbar kein so großes Problem für Friedrich sind.
N ormalerweise erstellen Wissenschaftler eine Studie und präsentieren die Ergebnisse. Dann greifen Medien sie auf, und Politiker kommentieren sie. Bei der neuen Studie über Muslime in Deutschland, die jetzt für Streit sorgt, war es umgekehrt: Erst interpretierte die Bild-Zeitung die Ergebnisse und der Innenminister kommentierte sie, bevor sein Haus die Studie öffentlich machte. Schon diese Reihenfolge zeigt, dass es Hans-Peter Friedrich nicht um eine ernsthafte Debatte geht – er will sich nur auf populistische Weise profilieren.
Dabei gibt die Studie, auf die er sich beruft, dafür gar nicht so viel her. Sie zeigt, dass die allermeisten Muslime, die hier leben, sich hier integrieren wollen – selbst dann, wenn sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Das zeugt von einer extrem hohen Identifikation mit unserem Staatswesen und ist, nach der Sarrazin-Debatte und nachdem die Mordserie der Thüringer Terrorzelle bekannt wurde, keine Selbstverständlichkeit. Trotzdem spricht die Bild-Zeitung von einer „Schock-Studie“. Und Innenminister Hans-Peter Friedrich sowie seine Parteifreunde von der CSU nutzen die Gelegenheit, um mal wieder vor radikalen Muslimen und sogenannten „Integrationsverweigerern“ zu warnen.
Als „Integrationsverweigerer“ werden dabei landläufig jene Migranten bezeichnet, die kein Deutsch lernen und sich auch sonst nicht an die Spielregeln der Mehrheitsgesellschaft halten wollen. Aber was ist mit all jenen alteingesessenen Deutschen, die sich nicht an das Leben in einer Einwanderungsgesellschaft gewöhnen wollen? All die Sarrazins, die sich so schnell „überfremdet“ fühlen und auf ihren Privilegien beharren? Oder schlimmer noch: die Neonazis, die mit Gewalt durch die Lande ziehen?
ist Redakteur für Migration und Integration im Inlandsressort der ta.
Warum gibt der Innenminister keine Studie in Auftrag, die untersucht, wie weit rassistische Einstellungen und Vorurteile in der Gesellschaft verbreitet sind – und wie man sie am besten bekämpft? Warum konzentriert er sich mal wieder auf die Muslime? Die Antwort ist: Vorurteile und antidemokratische Einstellungen bei Nichtmuslimen scheint der Innenminister – selbst nach dem Totalversagen seiner Behörden angesichts der beispiellosen Mordserie der Neonazis aus Zwickau – offenbar für kein so großes Problem zu halten. Solange das so bleibt, darf man sich keineswegs wundern, dass es Muslime gibt, die sich nicht mit diesem Staat identifizieren können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Einigung über die Zukunft von VW
Die Sozialpartnerschaft ist vorerst gerettet
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen