Urteil in Argentinien: Abtreibung nach Vergewaltigung legal
Nach einer Vergewaltigung dürfen Frauen in Argentinien jetzt legal abtreiben. Bisher musste in jedem einzelnen Fall darüber entschieden werden.
BUENOS AIRES taz | In Argentinien sind Abtreibungen nach einer Vergewaltigung legalisiert worden. Der Oberste Gerichtshof erklärte den Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung jetzt für zulässig und straffrei. Nicht nur die abtreibende Frau, auch der den Schwangerschaftsabbruch vornehmende Arzt handeln dabei nicht strafbar, so die Richter in ihrem einstimmigen Urteilsspruch. Während Abtreibungsbefürworter das Urteil als „historisch“ begrüßten, ernteten die Richter heftige Kritik von der katholischen Kirche.
Dem Urteil lag der Fall einer Minderjährigen zugrunde, die im Alter von 15 Jahren von ihrem Stiefvater vergewaltigt wurde und eine Abtreibung vornehmen wollte. Ein Familienrichter hatte einen Abbruch zunächst abgelehnt. Eine höhere Instanz, das Provinzgericht, genehmigte der jungen Frau jedoch den Schwangerschaftsabbruch. Mit der Bestätigung dieses Urteils durch die Obersten Richter erhält der Richterspruch jetzt landesweite Gültigkeit. Bisher wurde bei Vergewaltigungen in jedem einzelnen Fall von einem Gericht über die Zulässigkeit einer Abtreibung entschieden.
Abtreibungsbefürworter begrüßten dagegen das Urteil als einen historischen Schritt. „Der Richterspruch beseitigt endgültig jeden Zweifel und jedes Hindernis gegen die Durchführung einer straflosen Antreibung im Fall einer Vergewaltigung,“ so die NGO für zivile Rechte „Asociación por los Derechos Civiles“.
Aus der katholischen Kirche hingegen gab es heftige Kritik. „Die Abtreibung ist die Unterdrückung eines unschuldiges Lebens und es gibt kein Motiv und keinen Grund, der die Eliminierung eines unschuldigen Lebens rechtfertigt“, so José María Arancedo, Präsident der argentinischen Bischofskonferenz. Eine Vergewaltigung, so bedauerlich sie sei, mache da keine Ausnahme, so Arancedo.
In Argentinien wird Abtreibung noch immer mit bis zu vier Jahren Haft bedroht. Ausnahmen gab es bisher nur bei akuter Gesundheitsgefahr für die Schwangere und unter bestimmten Umständen nach einer Vergewaltigung. Nach Schätzungen treiben dennoch jährlich bis zu 500.000 Frauen illegal ab. Komplikationen nach unsachgemäßen Eingriffen unter unhygienischen Bedingungen sind mit knapp 30 Prozent die häufigste Todesursache bei Schwangeren. Eine Kampagne für eine legale und kostenfreie Abtreibung erreichte bisher wenig. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt seit Mai 2007 dem Kongress vor.
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