piwik no script img

Erschießung von Trayvon MartinVorsicht, Kapuzenpulli!

Der Abgeordnete Bobby Rush zog sich im Repräsentantenhaus einen Kapuzenpulli über, um gegen Rassismus zu protestieren. Er wurde aus dem Saal entfernt.

Der Abgeordnete Bobby Rush im Repräsentantenhaus. Bild: dapd

WASHINGTON taz | Bestimmte Textilien können in Florida lebensgefährlich sein. Doch auch im Kongress der USA hört bei ihnen die Demokratie auf.

Das bekam der Abgeordnete Bobby Rush aus Chicago zu spüren. Der 65jährige Demokrat und Bürgerrechtler ist am Mittwoch ans Mikrofon des Repräsentantenhauses getreten, um gegen die Erschießung des schwarzen Jugendlichen von Trayvon Martin durch ein Bürgerwehr-Mitglied in Florida zu protestieren.

Während der Abgeordnete über die „amerikanische Tragödie“ sprach, die sich zu oft auf den Straßen seines Landes wiederhole, zog er langsam seine elegante Anzugjacke aus, stülpte sich eine graue Kapuze über den Kopf und setzte eine dunkle Brille ins Gesicht.

Noch während Bobby Rush seine Verwandlung vom Abgeordneten zum Rowdy vor laufenden Fernsehkameras vollzog, klopfte hinter ihm der Vorsitzende der Versammlung mit einem Holzhammer auf das Pult. Und rief „Suspendierung“ in den Raum. Der Abgeordnete sprach unbeirrt weiter. Er sagte, dass die Fahndung nach rassistischen Kriterien aufhören müsse. Dass eine Kapuze nicht bedeute, dass ihr Träger ein Strolch sei. Und dass Gott die Familie des ermordeten Trayvon Martin segnen möge.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Doch zu Ende konnte er seine Rede nicht bringen. Der Vorsitzende stellte dem gewählten Volksvertreter das Mikrofon ab und ließ ihn von Saaldienern entfernen. Anschließend verlas der Vorsitzende Absatz 5 der Regel 17. Sie verbietet das Tragen von Hüten während der Sitzungen des Repräsentantenhauses.

Jugend bei den Black Panthers

Der Abgeordnete Bobby Rush weiß, worum es geht, wenn er „rassistische Fahndung“ sagt. Er vertritt die South Side in Chicago, der Wahlkreis zum US-Kongress mit dem höchsten Anteil von afroamerikanischen WählerInnen in der ganzen Nation (65 %).

In seiner Jugend war Bobby Rush Mitglied der Black Panthers. Er war persönlich dabei, als sein Mitstreiter Fred Hampton 1969 von der Polizei erschossen wurde. Seinem Sohn gab er den Namen des Black-Panther Gründers Huey Newton.

In späteren Jahren wandte sich Bobby Rush von der Idee des bewaffneten Widerstandes ab und wurde ein ein „born-again Christian“ (ein wiedergeborener Christ) und studierte Theologie. Doch er hat seine Jugend bei den Black Panthers weder verleugnet noch bereut. Er bezeichnet sie als Teil seines „Reifungsprozesses“.

Die WählerInnen auf der South Side in Chicago schätzen seine Gradlinigkeit. Seit 1992 schicken sie ihn ununterbrochen in den Kongress, oft mit mehr als 85 Prozent der Stimmen. Im Jahr 2000 bestätigten sie den alten Kämpfer auch, als ein junger Senator namens Barack Obama gegen ihn antrat. Bobby Rush bezwang den Herausforderer problemlos mit 61 gegen 30 Prozent der Stimmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

21 Kommentare

 / 
  • M
    Maudit

    @ Normalo and the-clapping-hand-friends:

    Mit anderen Worten: Wer bestimmt Milieu-spezifische Kleidung trägt, und wir haben im Hinterkopf, dass jede/jeder im Prinzip die freie Wahl hat zu tragen, was Ihm/Ihr beliebt, ist ergo auch für die Folgen, die sich aus der Einschätzung/Wahrnehmung als Rückschluss auf seine Person ergeben verantwortlich? Ist das Ihre These? Und wenn sie das ist, führt und rechtfertigt diese Logik in zugespitzter Form die finale Konsequenz für "unpassend gekleidete Menschen" im Kontakt mit Waffenträgern/innen: Erst schießen und dann fragen?

  • F
    franz

    Hier scheint wohl die Anzugslobby erfolgreich zu sein, wenn er keinen Hoodie im Repräsentatenhaus tragen darf, aber was erwartet man von einer Plutokratie ala VSA?

  • S
    s-man

    LOL

     

    Hier erschießt ein Mexikaner einen schwarzes Gangmitglied (Multi-Kulti eben) und selbst daraus soll noch dem bösen "Weißen Rassisten" ein Strick gedreht werden. Es wird langsam lächerlich.

     

    90% der normalen Menschen fällt dies auf, nur unseren übergebildeten Medieneliten wohl noch nicht.

  • MK
    Michael Kruse

    Endlich einmal wieder!

     

    @Normalo

     

    Ich habe selten einen so guten und sachlichen Kommentar gelesen.

     

    Das Niveau auf den Kommentarseiten, aller großen Zeitungen, lässt leider sehr zu wünschen übrig.

     

    Ich drücke Ihnen hiermit meine Hochachtung aus!

  • PB
    Pater Brown

    "Sie verbietet das Tragen von Hüten während der Sitzungen des Repräsentantenhauses."- Vermutlich verbietet sie das Tragen "eines Hutes", denn mehrere Hüte trägt kaum jemand.

    "... und wurde ein ein 'born-again Christian' (ein wiedergeborener Christ)..." Ein "ein" reicht völlig.

  • Y
    Yadgar

    @gugu:

    Ich werde seltsamerweise überhaupt nie von der Polizei kontrolliert (es sei denn, ich fahre in der Dämmerung ohne Licht Fahrrad), und das, obwohl ich seit etlichen Jahren wie ein 70er-Jahre-Bilderbuch-Hippie aussehe, langmähnig, zottelbärtig und so... aber ich wohne auch nicht in Bayern!

  • C
    Copieur

    Wer hat dieses Berliner CDU-Wahlplakat von 2006 gesehen? Für mich ist es nur noch ein Schrittchen entfernt von einer NPD-Produktion.

     

    Nichts wird explizit ausgedruckt, sondern angedeutet, mithilfe unterschwellige Vorurteile des Betrachters.

     

    Die zwei Personen mit den Kapuzen, sind das Jungen oder Mädels? Heissen sie Mehmet bzw. Saddam, oder Helmut bzw. Kai-Uwe? (Ich habe ein kleinen Test mit Freunde und Kollegen gemacht, mit eindeutigen Ergebnisse). usw. usw.

     

    Muß man unbedingt diese Situation als bedrohlich betrachten? Und wenn man die Unterschrift "Rot-Rot schaut weg" weglässt?

     

    Meine eigene Bildinterpretation:

     

    Die alte Dame muß bis spät in die Nacht schuften, weil sie keine vernünftige Rente hat. Als sie nach Hause geht, quert sie die Straße schräg, mit den Rücken zum Verkehr. Da in Deutschland Autoflächen grundsätzlich no-go Areas für Fußgänger sind, kann sie jederzeit und ohne Warnung von einer Karre überfährt werden. Es handelt sich schliesslich für den Fahrer um Notwehr... Die zwei Jungen sind nur zuffälig da als Augenzeuge. Die Polizei glaubt sie nicht, als sie erzählen, dass das Auto direkt auf die Dame fuhr, ohne zu bremsen.

     

    Ich glaube nicht, dass diese Intepretation im Auftrag der Werbungsleute stand...

  • N
    Normalo

    Rassismus sieht - ein wenig - anders aus.

     

    Es ist schließlich nicht so, dass das Kapuzenshirt dem "Schwarzen an sich" von Geburt angewachsen wäre. Man muss sich nicht so kleiden, nur weil man schwarz ist, und kann sich auch so kleiden, wenn man es nicht ist. Eine bestimmte Reaktion auf dieses Merkmal als rassistisch zu bezeichnen, ist daher falsch. (Es sei denn, der Angreifer kennt den Unterschied von Kleidung und Hautfarbe selbst nicht und attackiert nur das "Schwarze", das er in der Kleidung verkörpert sieht, würde also einen Schwarzen genauso angreifen, wenn er einen Anzug trüge. Sowas dürfte aber eher in Gegenden passieren, in denen es kaum Schwarze gibt.)

     

    Nach der Kleidung zu gehen, hat hingegen eine gewisse Substanz. Kleidung wird von Vielen als Ausdruck einer bestimmten Einstellung zu Staat, Gesellschaft, Gott etc. gesehen. Die Kombination aus Hoodie und Sonnenbrille ist eine dieser aussagekräftigen "Milieu-Uniformen": Die Allerwenigsten tragen sie aus rein ästhetischen Gründen. Die Identifikation mit dem Image eines Rap-hörenden Gangstas aus einem einschlägigen "Hood" steht im Vordergrund.

     

    Und so wie in Texas zwar Viele Cowboystiefel und -hüte tragen, ein Mann aber stark aufpassen muss, wenn er sich "Cowboy" nennt, ohne wirklich einer zu sein, tut es den Bewohnern gewisser Gegenden US-amerikanischer Städte nicht gut, wenn sie nur so tun, als seien sie harte, mit Verbrechen erfahrene Mitglieder des Gang-Milieus.

     

    Für den Beobachter liegt es daher - je nach Situation - nahe, beim Anblick eines solchen Outfits zumindest eine hohe Wahrscheinlichkeit zu sehen, dass der Träger dieser Uniform auch wirklich aus dem zugehörigen Milieu stammt und die entsprechenden Verhaltensmuster aufweist. Von einer vollverschleierten Muslima erwartet man auch, dass sie z. B. in der Öffentlichkeit einem fremden Mann stets abweisend begegnet und versucht daher gar nicht erst, mit ihr ins Gespräch zu kommen.

     

    Das ist keine Rechtfertigung für die Tötung eines Unschuldigen - wirklich nicht. Ich will nur darauf hinweisen, dass nicht jedes schnelle Urteil gleich ein Vorurteil und nicht jedes Vorurteil gleich rassistisch ist - und man den wahren Opfern von Rassismus keinen Dienst erweist, wenn man einfach nur undifferenziert mit Schlagworten um sich schmeißt.

  • B
    Beobachter

    Sehr schönes Beispiel von Alltagsrassismus.

    Kritik an der rassistischen Justiz in Florida wird unter einem Vorwand unterbunden.

    Die Regel auf der sich der Sitzungsvorsitzende Beruft, verbietet das Tragen von Hüten. Eine Kaputze ist kein Hut.

    Im Sinne der Rede- und Meinungsfreiheit ist jede Einschränkung natürlich grundsätzlich sehr zurückhaltend anzuwenden.

    Entlarvend die Reihenfolge: Erst kommt der Reflex: "Rausschmeissen" dann nachträglich die "Begründung".

    Der Kameramann hat dann auch die Handgreiflichkeit des Ordnungsdienstes gegen den Abgeordneten ausgeblendet.

    Solche Kameraführung ist übrigens auch typisch für die Polieibeamte z.b. bei Demonstrationen, immer wenn die Beamten Gewalt anwenden schwenkt die Kamera weg oder ist verwackelt.

  • S
    Schmu

    @p3t3r ...noch nicht!

  • M
    Matt

    Ich trage fast jeden Tag, Kapus. Ich arbeite für ein mittelständisches Softwareunternehmen, welches in seiner Branche, Marktführer ist..

     

    Gern gesehen wird das auch nicht unbedingt. Der Firmengründer läuft selber in lässigen Klamotten rum, aber hier gibt es so einige Mitarbeiter, die zwar keine Leistung bringen und 10 mal am Tag Unterstützung benötigen, hier aber super-professionell auf der Arbeit erscheinen. Kleider machen eben Leute, was?!

     

    Ich sch*** da drauf! Alles was zählt ist meine Leistung und da bin ich für mein junges Alter schon sehr weit mit gekommen. Ich werde dieses Spiel nicht mitspielen und lasse mich lieber erschießen als einer von "Euch" gleichgeschalteten Nichtsnutzern und Mitschwimmern zu werden.

     

    In den ganzen "Erwachsenen", sehe ich nur kleine Kinder, die sich hinter einem künstlichen "Ich" verstecken.

     

    Irgendwann wird der Punkt erreicht sein, wo die Fassaden dem Druck nicht länger stand halten. Dann werden die Leute hier entweder wieder im Gleichschritt marschieren, oder aber die Sache selbst in die Hand nehmen. Entscheidet selbst, auf welcher Seite ihr stehen wollt.

  • M
    menschenfreund

    Ja, ja. Ordnung muß sein.

    Die Anzugsordnung ist Menschenrecht/Pflicht.

    Alles der Demokratie untergeordnet.

    Ist mir schlecht.

    Diesem Gesindel würde ich etwas ganz Anderes zeigen als eine Kapuze!

  • G
    gugu

    Ich wurde in meiner Jugend sehr oft von der Polizei Kontroliert, inklusive Taschen durchsuchen usw... Es wurde nie etwas gefunden und ich habe eine leere Akte auch Heute werde ich (ich bin Kurierfahrer) oft noch rausgezogen, das auto durchsucht usw. Neulich habe ich bei einer Kontrolle die rosenheimer Polizisten gefragt warum ich so oft rausgezogen werde. Zitat: "Das macht die Frisur" ... Ich hab einen Pferdeschwanz seid ich 13 bin....

  • P
    PeterPan

    Also ich bin mit derlei Aussagen immer extrem vorsichtig und äußere dies höchst selten. Beschriebener Fall illustriert den blanken Rassismus.

  • MS
    Martin Senftleben

    Hut ab! (oder nicht?)

  • S
    Schläfer

    Man sollte Menschen grundsätzlich nicht nach Äußerlichkeiten beurteilen.

     

    Vorurteile sind abzulehnen.

     

    Egal ob

    Hautfarbe: Schwarzer, Weisser, Latino etc.

    Frisur: Normal, lange Haare, Glatze, Irokese etc.

    Kleidung: Anzug, Kapuzenpulli, Lonsdale-Shirt, Palästinenser-Tuch etc.

     

    Der Mensch zählt, nicht die Verkleidung.

  • F
    Fewur

    Ich als einer der besagten "Wachleute" trage selber solche Kapuzenpullis, und bislang ist mir kein Kollege begegnet der jemanden mit Kapuzenpulli erschossen hat.

     

    Aber es ist beruhigend zu wissen das Verallgemeinerungen überall gleich verbreitet sind. Eine gepflegte Intoleranz gehört zum heutigen Leben dazu.

  • M
    Michael

    Ganz großen Respekt vor der Rede - finde ich richtig und wichtig.

    Schön, dass solche Zustände, zumindest nicht in dem Umfang hier in Deutschland herrschen.

  • H
    Hutmacher

    Gilt denn ein Toupet auch als Hut?

    ..das würde den Saal doch gewiss leeren..

     

    ;)

  • JS
    johan Schreuder

    @ p3t3r

     

    'glücklicherweise dürfen unsere wachleute nicht schießen!!'

     

    Noch nicht!!!

     

    Denn wie so viele tolle Sachen aus der US überschwappen, werd auch der toller Teil bald eintreffen.

  • P
    p3t3r

    natürlich ist das rassismus,

    auch ich fühl mich unsicher hier in Deutschland wenn ich mit kapuze überm kopf durch die straßen laufe,

    weil ich weiß das jeder polizist mich als drogendealer einordnet und wenn ich dann noch schwarz angezogen bin gar als linksradikdaler, glücklicherweise dürfen unsere wachleute nicht schießen!!