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Kommentar FluglärmDank Leipzig ist Frankfurt jetzt überall

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der größte und wichtigste deutsche Flughafen muss mehr Rücksicht auf die Bevölkerung nehmen. Auch in der globalisierten Wirtschaft ist so etwas also möglich.

D as juristische Signal ist klar: Wenn sogar in Frankfurt/Main ein Nachtflugverbot möglich und notwendig ist, dann gilt dies für kleinere Flughäfen erst recht. Wenn sogar der größte und wichtigste deutsche Airport mehr Rücksicht auf die Bevölkerung nehmen muss, dann können Regional- und Provinzflughäfen erst recht nicht mehr mit den Zwängen der Globalisierung und der Just-in-time-Produktion argumentieren.

Selbst die Lufthansa, die in Frankfurt ihr Frachtcenter betreibt, hat sich längst mit dem Nachtflugverbot arrangiert. Sie nölt zwar noch etwas über sinkende Gewinne, ihre Hauptsorge war aber zuletzt, dass das Bundesverwaltungsgericht auch in den Nachtrandzonen von 22 bis 23 Uhr und von 5 bis 6 Uhr radikale Schnitte fordert. Darauf hat Leipzig im Wesentlichen verzichtet.

Insofern ist das aktuelle Urteil keineswegs wirtschaftsfeindlich. Es berücksichtigt aber auch die Bedürfnisse der Menschen nach etwas Ruhe, zumindest in der Nacht. So viel Kompromiss muss auch in der globalisierten Wirtschaft möglich sein.

Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.

Das Umdenken hat dabei viele Ursachen. Der Flugverkehr nimmt immer mehr zu, ein Ende ist kaum abzusehen. Auch gut situierte Bürger werden immer renitenter. Zudem macht die Lärmmedizin Fortschritte und kann die gesundheitsschädlichen Folgen von permanentem Düsenfliegerkrach zunehmend besser belegen.

Umgesetzt wurde die Wende aber – wie so oft in Deutschland – nicht von der Politik, sondern von der Justiz. 2006 beanstandete das Bundesverwaltungsgericht in Berlin-Schönefeld erstmals einen 24-Stunden-Betrieb. Seitdem ist daraus eine feste Linie geworden.

Doch nun zeigt die Justiz auch der Politik Handlungsmöglichkeiten auf. Wenn Bundesländer in ihren Landesentwicklungsplänen für bestimmte Flughäfen Nachtflugverbote vorsehen, dann ist das mehr als Symbolik, entschied nun das Bundesverwaltungsgericht. Die Länder können künftig also politisch über Nachtflugverbote entscheiden, und die Gerichte müssen dies beachten.

Auf den zögerlichen Verkehrsminister Ramsauer und eine Lösung auf Bundesebene muss nun niemand mehr warten. Damit hat auch der politische Widerstand der Fluglärmgegner künftig ein realistisches Ziel. Ein Beschluss der jeweiligen Landesregierung lässt sich von regionalen Initiativen leichter durchsetzen als ein Bundesgesetz.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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3 Kommentare

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  • W
    Wolf

    Die Gier von schmutzigen, geldgeilen Unternehmen will Gewinnmaximierung auf Kosten der Gesundheit der anliegenden Menschen machden.

     

    Und das ganze mit Unterstützung von dreckigen Politheinis !

  • K
    Kurt

    Als Österreicher sehe ich das Ganze emotionslos, aber nicht ohne Sorge.

    Ich finde zwar das Urteil in diesem Fall richtig, weil in dem Mediationsverfahren zuvor dieses Nachtflugverbot mit den Anrainern vereinbart wurde - und an getroffenen Vereinbarungen hat man sich zu halten, sonst wären solche Verfahren überflüssig.(Thema Rechtssicherheit !!!)

    Andererseits sehen sich nun jene Öko-Extremisten, die gegen praktisch jedes Infrastrukturprojekt sind, gestärkt und künftig werden Kompromisse immer weniger erzielt werden können. Wenn sich diese Geiseshaltung verbreitet, sehe ich für die Zukunft Europas schwarz.

    Jene, die sich so vehement genen Nachtflug und gegen die Landebahn generell aussprechen sollten folgendes bedenken:

     

    Wenn die Nachtruhe generell wichtiger sein soll als wirtschaftliche Interessen, dann hat die konsequente Anwendung dieses Rechts weitreichende Folgen. Oder ist denn die Nachtruhe bei Flughafenanrainern wichtiger als zum Beispiel jene bei Autobahnanrainern oder solchen entlang einer Hauptbahnstrecke. Der Lärm dort ist mindestens so laut wie in der Anflugschneise eines Flughafens.

     

    Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz müsste nun folgerichtig auch ein Nachtfahrverbot für Autobahnen bzw. Eisenbahnen eingeführt werden, oder will man in Zukunft hier mit zweierlei Maßstäben arbeiten?

    Man kann sich leicht vorstellen, wie die Auswirkungen auf die Transportlogistik und den Verkehr wären. Jegliches Nachtleben (Theater, Bars, Discos, Restaurants etc.) wäre weitgehend stillgelegt. Ein Verkehrskollaps wäre tagsüber wahrscheinlich und die Auswirkungen auf die Wirtschaft fatal.

     

    Wer, wie die Landebahngegner, aus Eigennutz keine Kompromisse akzeptiert (die Gegner wollen ja die Landebahn wegprozessieren), der schadet sich langfristig selbst und der Gesellschaft als Ganzes.

     

    PS: Ich bin selbst Autobahnanrainer und kenne das Lärmproblem, aber: Die Autobahn war schon da als ich mich ansiedelte und ich nutze sie täglich auf meinem Weg zur Arbeit. Ich könnte mich nicht mehr im Spiegel ansehen, wenn ich dagegen protestieren würde.

    Auch bin ich dankbar für Lärmschutzwände, aber es würde mir nicht einfallen gegen die Autobahn zu prozessieren (und auch dort sind in den letzten Jahren mehr Fahrspuren gebaut worden).

  • H
    Helga

    Aha - reiche Hausbesitzer, Induistrielle und Unternehmensberater klagen gegen die Nachtflüge, wegen derenn sie ihre Villen überhaupt erst so günstig bekommen haben, und bekommen auch noch recht. Und über den kurzen Anfahrtsweg zum Flughafen ab in die First Class beschweren sie sich nicht. Dafür verlieren jetzt tausende kleine Arbeiter, die in den verrottenden Frankfurter Vororten hausen, ihre Jobs. Offenbar findet die taz das so richtig gut - wann wird die taz wohl die ersatzlose Abschaffung der Sozialhilfe und die Wiedereinführung der Todesstrafe fordern?

     

    Ein außergewöhnlich dummer und menschenfeindlicher, wahrscheinlich von der steinreichen Anti-Lärm-Lobby gekaufter Artikel.