Kommentar Fluglärm: Gefahr aus Brüssel

Das Bundesverwaltungsgericht hat bestätigt, was längst vereinbart war: absolute Nachtruhe am Frankfurter Flughafen. Doch schon droht neues Unheil.

Da ist es, das Beruhigungszuckerl für die Anwohner: Am Mittwoch hat das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz für die Flughafenregion Rhein-Main eine Nachtruhe mit null Flügen zwischen 23 und 5 Uhr verhängt.

Damit bestätigten die Leipziger Richter zum einen eine Eilfügung der Kasseler Verwaltungsrichter, die im letzen Jahr – zehn Tage vor Eröffnung der neuen Nordwest-Landebahn – den Betreiber Fraport zu einem Nachtflugverbot verdonnert hatte. Zum anderen hat das Gericht aber auch den Flughafen-Ausbau für prinzipiell rechtmäßig erklärt.

Allerdings muss nachgebessert werden. Wegen der nachträglich in den Planfeststellungsbeschluss – das Genehmigungspapier für den Ausbau – hineingeschusterten 17 Nachtflüge. Dabei stand die absolute Nachtruhe eigentlich bereits schon: Sie war das einzige Zugeständnis, das dem Flughafenbetreiber in einem zermürbenden Mediationsverfahren abgerungen werden konnte. Der Deal war 2007 der letzte Punkt auf der Strecke zum Ausbau.

Ausbaugegner, die an Recht und Anstand glaubten, wurden zum Etikett des guten Willens von Wirtschaft und Politik. Am Ende waren sie die Deppen, die mit „harmlosen“ 17 Nachtflügen über den Mediationstisch gezogen wurden. Wachstum, Arbeitsplätze, Motor der Region – so lautet seitdem ein Mantra von Luftwirtschaft und Spitzenpolitik. Schadstoffausstoß? Erholung? Alles zweitrangig, wenn „Kapazitätsgrenzen“ erreicht sind. Das Mediationsverfahren hat die Region still gehalten. Proteste wie an der Startbahn West Anfang der 1980er Jahre wollte niemand. Und doch gab es Demos.

Sylvia Meise ist freie Journalistin, Bloggerin und Flughafenausbaubeobachterin in Frankfurt (auf meiseundmeise.de).

Vor zehn Jahren kamen bis zu 10.000 nach Wiesbaden, dann immer weniger. Die Zermürbungstaktik wirkte und man konnte auf der Straße hören: Wie? Gegen die neue Landebahn? Ist die nicht schon gebaut? Als sie es war, sind dann alle aus dem Bett gefallen. Trotz Nachtflugverbot. Und auf dem Balkon sitzen macht auch keinen Spaß mehr. Jetzt gehen sie wieder zu Tausenden auf die Straße und rufen „Die Bahn muss weg!“

Das hat die hessischen Politiker und Luftverkehrschefs dann doch überrascht. Die neuen Proteste mögen das Zünglein an der richterlichen Waage gewesen sein. Anders hätten die Leipziger Richter gar nicht entscheiden dürfen – sonst wäre hier in der Region die Hölle losgebrochen. Der nächste Ruf der Montagsdemonstranten im Terminal wird lauten: „Bouffier muss weg!“ Nächstes Jahr sind Wahlen und bis dahin hält der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier den Ball flach.

Aber Hessen ist nur Nebenschauplatz. Die Flughafenausbaugegner dagegen sollten sich dringend neu organisieren. Denn die Bundesregierung hat zwar angeblich auch schon ein neues Luftverkehrsgesetz nach den Vorschlägen der Hessen in der Pipeline. Doch der größte Rundumschlag naht aus Brüssel und er läuft bisher noch unterhalb des öffentlichen Radars: Die EU-Verkehrskommission hat vor ein paar Wochen das „EU-Flughafenpaket“ vorgestellt – eine der Maßnahmen darin heißt „Harmonisierung“ der „lärmbedingten Betriebsbeschränkungen“.

Wenn das Paket umgesetzt wird, könnten Nachtflugverbote von Straßburger Richtern ohne Einspruchsmöglichkeit verboten werden.

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