Kommentar Pussy Riot: Schwäche, nicht Stärke

Mit dem harten Urteil gegen die Musikerinnen von Pussy Riot zeigt sich der Kreml nicht als starken Staat, sondern als Papiertiger, der vor drei jungen Frauen zittert.

Der Schuldspruch war zu erwarten. Das Moskauer Gericht erkannte im Fall Pussy Riot auf schuldig wegen Rowdytums auf Grundlage religiösen Hasses. Ein Freispruch hätte auch Fragen aufgeworfen: Warum mussten die drei Punkerinnen ein halbes Jahr in Untersuchungshaft verbringen und wie Schwerverbrecher in Handschellen vorgeführt werden?

Die politischen Machthaber hätten aber nicht nur einiges erklären müssen; oberflächlich und aus dem Blickwinkel ihrer traditionalistischen Klientel gesehen, wäre ein Freispruch der Schwäche gleichgekommen.

Stattdessen demonstriert der Kreml Härte. Ein Fehler wäre es jedoch, dies mit Stärke gleichzusetzen. Mit dem Prozess stellt er sich selbst ein erbärmliches Urteil aus. Ein Staat, der sich über drei junge Frauen hermacht, die in anderen Ländern bestenfalls zu einer Ordnungsstrafe verurteilt worden wären, offenbart seine Schwäche.

Es ist nicht der starke Staat, den Putin nach außen suggeriert, sondern ein Papiertiger, der durch die Schallwellen der Punkerinnen ins Zittern geriet. Es war auch erst der Kreml, der der Causa durch seine Verfolgung globale Aufmerksamkeit verlieh. Vorbei ist die Zeit, als das System Putin es noch verstand, seine fragwürdige Politik wohlmeinenden Zaungästen als demokratisch, zumindest als rational zu verkaufen. Diesmal hat sich der Kreml gleich in beide Knie geschossen.

Wir können nur vermuten: In den Etagen der Macht muss erhebliches Chaos herrschen. Auch die orthodoxe Kirche, die sich zum Richter aufschwingt, hat wie ihr weltliches Pendant gezeigt, dass sie nicht Trägerin und Hüterin moralischer Autorität ist. Auch sie leidet an Schwäche und hat der Gesellschaft keine frohe Botschaft, sondern nur Rachegedanken anzubieten. Sonst hätte sie, statt den Kreml um Hilfe beim Strafvollzug zu bitten, Gnade walten lassen. Beide Institutionen leiden unter chronischem Muskelschwund.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.