Kommentar Betreuungsgeld: Schwarz-gelbe Spielchen
Beim neuerlichen Streit um die Herdprämie spielen Inhalte keine Rolle mehr. Dabei hätte gerade die FDP einiges an Verhandlungsmasse.
M it der Koalition ist es zur Zeit wie beim Blätterabreißspiel aus Kindertagen „Er liebt mich, er liebt mich nicht“: Die Koalition kracht, die Koalition kracht nicht. Jetzt gibt es neuen Zoff um ein altes Thema: das Betreuungsgeld.
Die FDP will den jüngst gefundenen Kompromiss plötzlich nicht mehr mittragen. Die „Herdprämie“ sei jetzt zu teuer geworden, argumentiert sie. Dabei sollte die staatliche Familienleistung in Höhe von 100 beziehungsweise 150 Euro monatlich in Kürze beschlossen werden. Daraus wird wohl nichts werden, die Abstimmung wurde am Dienstag zum dritten Mal verschoben. Auch wenn die Koalitionsspitzen seit Montag abend eifrig versichern, sich alle Mühe zu geben sich aber wirklich zu einigen.
Wie könnte das aussehen? Da gibt es einiges an liberaler Verhandlungsmasse: die Öffnung der Ehe für Homosexuelle und deren Gleichstellung im Steuerrecht beispielsweise. Oder die Abschaffung der ungeliebten Praxisgebühr. Die Liberalen werden drücken, wo sie nur können. Denn einen Erfolg hat der kleine Koalitionspartner dringend nötig.
ist Redakteurin im Inlandsressort der taz.
Aber auch für Horst Seehofer, den Chef des anderen kleinen Koalitionspartners, der das Betreuungsgeld mit allen Mitteln verteidigt, steht viel auf dem Spiel. Er braucht das Betreuungsgeld, um seine konservative Wählerklientel bei Laune zu halten. Er braucht es aber auch als Plus vor dem CSU-Parteitag, der Mitte Oktober stattfindet. Wenn Seehofer jetzt versagt, wird er mehr verlieren als nur das umstrittene Taschengeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen statt sie in eine Kita zu bringen.
Und Angela Merkel und die CDU? Es ist auch für sie eine Blamage. Wieder mal ist es der CDU-Chefin und Kanzlerin nicht gelungen, die Koalition zusammenzuhalten. Dabei geht es beim erneuten Krach im Grunde gar nicht ums Betreuungsgeld. Auch nicht um die Kosten, wie die FDP glauben machen will. Es geht einzig und allein um Machtpoker.
Einige CDU-Ministerpräsidenten haben am vergangenen Freitag im Bundesrat der Frauenquote zugestimmt. Das will und kann die FDP, die gegen eine staatliche Verordnung zu mehr Frauen an der Spitze ist, nicht kampflos hinnehmen. Also bäumt sie sich auf und versucht rauszuholen, was rauszuholen ist. Das ist eine erneute Probe für die Koalition. Aber zerbrechen wird sie daran nicht. Sie liebt sich, sie liebt sich nicht, sie liebt sich.
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